Das Ende der Röhre

Das Modekarussell dreht sich. Auf der Strecke bleibt die Röhrenjans – gerade jetzt hat jeder eine im Schrank

Iggy Pop und Christiane F. hat sie gut gestanden. Sie hatten ihre Körper über die Jahre systematisch Heroin-modelliert, und die enge Denim hielt ihre ausgemergelten Körper auf den Storchenbeinen aufrecht. Aber derartige Eskapaden kann sich nicht jeder leisten, um in einer Hose eine gute Figur zu machen!

Die Röhrenjeans betonte bereits in den 50er-Jahren die Rundungen der Monroe, in den 80er-Jahren wurde sie dann zum Bestandteil der Berlinkluft (dazu: Lederjacke und Halstuch), und Biolehrer mussten kichernden Halbwüchsigen den Zusammenhang zwischen enger Hose und männlicher Unfruchtbarkeit erklären. Dann kam der Hiphop zu uns, und der Hosenboden küsste den Bürgersteig.

Ihr großes Comeback erlebte die Röhrenjeans vor einigen Jahren mit der Mainstreamisierung des Indie mit Bands wie den Strokes, Franz Ferdinand oder Mando Diao. Das Ensemble aus Slim-fit-Jeans, eng sitzendem Sakko mit Buttons am Revers, Pete-Doherty-Hut und Chucks wurde zur allerorts dekodierbaren Indie-Uniform. Baumwollene Ikone der Zeit, in der röhrenbehoste Über-Pärchen wie Moss/Doherty und Miller/Law die Panorama-Seiten stets aufs Neue füllten.

Nun dreht sich das Modekarrussel weiter. Gerade jetzt, wo auch der letzte Gymnasiast aus Niedersachen nach Berlin-Mitte gereist ist und eine Hose von Acne oder Cheap Monday erstanden hat, trägt Kate Moss eine weite Jeans von Chloé, Scarlett Johansson spaziert mit einem Hosenbund bis über den Bauchnabel herum, und Paris Hilton trägt gar Schlag!

So funktioniert eben Eklektizismus in der Mode: Kaum hat sich ein Trend überall durchgesetzt, wird in den Archiven der Modegeschichte gekramt und aus einstigen Schnitten und den immer seltener werdenden neuen Ideen ein möglichst konträrer ausgerufen. Und plötzlich wird es rüschig statt schlicht, kurz statt lang, weit statt eng.

In diesem Fall ist das nicht weiter schlimm. Wenn bald Hosen im Marlene-Dietrich-Stil die Röhrenjeans verdrängen, werden wir hoffentlich nie wieder Frauen mit Stiefeln drüber treffen, die aussehen wie Reitlehrerinnen oder Dominas, die gerade ihre Gerte verlegt haben. Und nie wieder Jungs, die Rockstar sein wollen – es aber nur zum Kartoffelsack geschafft haben. KIR