Berlin vorn, Bayern hinten

BERLIN taz ■ Die drei Düsseldorfer Elternpaare wollten nicht mehr länger auf die Politik warten. Denn bis die sich gerührt hätte, wären ihre Kinder wahrscheinlich eh schon im Kindergartenalter gewesen. Also gründeten sie selbst eine Kita, im März 2004 war das. Heute können bei den „Zaunkönigen“ 33 Kinder unter drei Jahren betreut werden, von halb acht am Morgen bis halb acht am Abend.

Glaubt man der Familienministerin von der Leyen, sollen Eltern in Zukunft nicht mehr auf solche Alleingänge angewiesen sein. 750.000 Kinder unter drei Jahren sollen bis 2013 einen Betreuungsplatz in einer Kita oder bei Tageseltern erhalten. Zurzeit gilt das nur für eine Viertelmillion dieser Kinder.

Als „Ankündigungspolitik“, die von den Kommunen nur schwer einzulösen sei, bezeichnet Birgit Riedel vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) die Pläne. Eine für die Regierung erstellte Untersuchung des DJI zeigt: Der Ausbau der Kinderbetreuung ist in den vergangenen Jahren zwar vorangekommen, allerdings nur schleppend. Von 2002 bis 2005 stieg der Anteil der Kinder unter drei Jahren, die einen Betreuungsplatz bekamen, von 10 auf 14 Prozent an. Von der Leyens Plan ist bei diesem Tempo kaum einzuhalten. Nach ihrer Vorstellung müsste die Quote auf 35 Prozent steigen.

Nach wie vor sind die regionalen Unterschiede in Deutschland enorm. In Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und im Saarland kommen auf 100 Kinder unter drei Jahren nur 2 bis 4 Kita-Plätze. In Berlin sind es 35, in Brandenburg 43 und in Sachsen-Anhalt sogar 48 Plätze.

Experten beobachten aber nicht nur ein Ostwestgefälle. Selbst von Stadt zu Stadt und von Landkreis zu Landkreis können die Unterschiede sehr groß sein. Das DJI führt dies auf eine „unterschiedliche Politik vor Ort“ zurück. Zu Deutsch: Mancherorts sitzen Bremser am Hebel. „Wenn eine Kommune einen aufgeschlossenen Bürgermeister hat, tut sich etwas“, sagt DJI-Expertin Riedel. „Wenn dort ein gestriger Dickschädel sitzt, kann der die Entwicklung blockieren.“

Unterversorgte Landkreise machen die Forscher vor allen Dingen in Bayern aus. Aber auch in anderen Bundesländern gibt es Kreise, die in den Übersichtskarten des DJI rot aufleuchten. Rot wie 0,0 Prozent Versorgungsgrad an Kitas für unter Dreijährige. Einer davon ist der Landkreis Freudenstadt in Baden-Württemberg. Die dortige Leiterin des Jugendamts, Charlotte Orzschig, sagt, man habe auch in Zukunft nicht vor, Kitas zu bauen. Sie sieht sich aber dennoch nicht als schwarzes Schaf. „Im ländlichen Raum ist eine Hortbetreuung von unter Dreijährigen nicht angemessen“, sagt sie. „Viele wollen ihre Kinder gar nicht außerhalb der Familie betreuen lassen.“ Deshalb seien im Kreis Freudenstadt „andere Methoden“ gefragt. Man wolle verstärkt auf Tageseltern setzen, die auch eine Betreuung in Teilzeit anbieten könnten. Die Regierung will im Juli erneut Bilanz ziehen, wie der Ausbau in der Kinderbetreuung vorankommt. Dann sollen auch einzelne Namen von Städten und Gemeinden öffentlich gemacht werden. Bremser werden es dann schwerer haben.

WOLF SCHMIDT