Eine Erpressung, zwei Wahrheiten

Vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Protokollaffäre des Senats bestreitet der SPD-Abgeordnete Thomas Böwer, Ex-Staatsrat Meister gedroht zu haben

Den Versuch einer politischen Erpressung des ehemaligen Staatsrats Klaus Meister (SPD) habe er nie unternommen. Das versicherte der SPD-Abgeordnete Thomas Böwer gestern Abend vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) zur Protokollaffäre des Senats. Damit widersprach er früheren Äußerungen des Staatsrates der Sozialbehörde, die dieser vor zehn Tagen vor dem selben Ausschuss bestätigt hatte. Einer der beiden dürfte somit die Unwahrheit sagen.

Meister hatte behauptet, dass Böwer ihm am 20. Februar vorigen Jahres auf dem Parlamentarischen Abend gedroht habe. Er solle das Geschlossene Heim für jugendliche Straftäter in der Feuerbergstraße schließen, habe Böwer gefordert. Ansonsten habe er „noch was im Köcher“, habe Böwer gesagt, das Meister den Kopf kosten werde. Böwer ist Mitglied des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) Feuerbergstraße, der die zahlreichen Skandale in der umstrittenen Einrichtung überprüft.

Böwer sagte hingegen gestern aus, auf Meisters Initiative hin länger mit ihm geplaudert zu haben: „Er hatte offensichtlich größeren Gesprächsbedarf.“ Meister habe vermutet, dass der PUA Feuerbergstraße für die rot-grüne Opposition unergiebig sei. Er habe erwidert: „Da wäre ich mir nicht so sicher“, sagte Böwer gestern. Dann habe er Meister den Rat gegeben, die Feuerbergstraße „dicht zu machen“.

Das könne er nicht entscheiden, habe Meister geantwortet, und dass das Heim inzwischen „ein Politikum“ sei. Daraufhin will Böwer vorgeschlagen haben, zusammen mit Volkmar Schön (CDU), dem Staatsrat der Senatskanzlei, „mal einen Tee zu trinken“.

Zu einem solchen Gespärch kam es jedoch nicht. Meister wurde einen Monat später von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) entlassen. Anfang März 2006 war bekannt geworden, dass vertrauliche Protokolle des PUA Feuerbergstraße unter anderem in die Chefetage der Sozialbehörde gelangt waren. Was die Protokollaffäre ausgelöst und zur Einsetzung des weiteren PUA geführt hatte: Dieses zweite Gremium soll seither die undichten Stellen im ersten ausfindig machen.

Zumindest bei Thomas Böwer, den die CDU im Ausschuss verdächtigt, selbst Unterlagen gestreut zu haben, kommt der PUA nicht weiter. Bei der Frage, ob er vertrauliche Papiere an Zeitungen – darunter auch die taz – gegeben habe, berief er sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht als Parlamentarier. Und empfahl prompt, die im Saal anwesenden Journalisten selbst zu fragen. So weit aber wollte die CDU nicht gehen. SVEN-MICHAEL VEIT