Stasi-Behörde hat jetzt ein Stasi-Problem

Ausgerechnet die Birthler-Behörde beschäftigt über 50 Ex-Stasi-Mitarbeiter. Während die CDU Konsequenzen für die Mitarbeiter fordert, lehnt die SPD dies strikt ab. Selbst ehemalige DDR-Oppositionelle fordern in der Sache Besonnenheit

AUS BERLIN DANIEL SCHULZ

Eigentlich sollte es ein schöner Tag für Marianne Birthler werden. Der Bundestag sollte endlich das neue Stasi-Unterlagen-Gesetz beschließen. Birthler würde ein paar wohlwollende Worte verlieren. Doch in die Sektlaune platzte die Bombe: Die Birthler-Behörde habe selbst ein Stasi-Problem, meldete die Welt. 52 Ex-Stasi-Angestellte arbeiteten dort.

Mit ein wenig Katerstimmung bestätigte die Behörde gestern diese Zahlen. Die meisten der übernommenen ehemaligen hauptamtlichen Stasi-Mitarbeiter waren Personenschützer und Wachleute. Die CDU forderte daraufhin, das Personal der Behörde noch einmal gründlich zu prüfen. „Dieser Fall muss rigoros aufgeklärt werden“, sagte Maria Michalk, die zuständige Kulturpolitikerin der Union, der taz. „Wir brauchen eine politische Diskussion über mögliche Konsequenzen“ Der DDR-Historiker Hubertus Knabe drückte sich deutlicher aus und forderte, die betreffenden Mitarbeiter zu entlassen.

Behördenchefin Birthler sagte, dies sei nicht möglich. Die betroffenen Ex-MfSler arbeiten schon seit der Vereinigung für die Unterlagenbehörde. 1998 wurden ihnen unbefristete Arbeitsverträge zugesprochen. Ein Sonderkündigungsrecht gibt es nur für ehemalige IMs. „Aufgrund des symbolischen Charakters war ich schon damals eher skeptisch gegenüber der Entfristung der Arbeitsverträge“, sagte Birthler, die seit 2000 im Amt ist, „die meisten dieser Mitarbeiter beschäftigen wir aber nicht in sensiblen Bereichen.“ Nach Angaben der Behörde arbeiten 41 der Betroffenen vor allem als Sicherheitsleute.

Bei 11 Angestellten ist das allerdings anders. Sie gehören zu den Ex-Stasi-Leuten, die von den DDR-Bürgerrechtlern in die Behörde geholt wurden, um mit ihrem Fachwissen bei der Aufarbeitung zu helfen. Sie brauche man auch heute noch, sagte Birthler. Voraussetzung sei, dass sie sich loyal verhielten.

Das bestätigt auch der ehemalige DDR-Oppositionelle Ehrhart Neubert gegenüber der taz. Neubert, der bis 1996 Leiter der Forschungsabteilung war, versteht, dass „es für viele Menschen schwer nachzuvollziehbar ist, dass ausgerechnet diese Behörde ehemalige Angestellte des MfS beschäftigt“. Aber der „Aufarbeitung wollten und konnten diese Menschen keinen Schaden zufügen“.

Doch wie kommt es, dass von den 200 Sicherheitsleuten der Unterlagenbehörde fast ein Viertel ehemalige Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit sind? „Damals haben alle Bundesbehörden Personal des ehemaligen MfS eingestellt“, sagte Birthlers Vorgänger Joachim Gauck der taz. Gauck verwies darauf, dass es in der DDR nun einmal so gewesen sei, dass die Personenschützer dem MfS zugeordnet waren, auch wenn sie eigentlich beispielsweise Minister schützen sollten. Daraus einen Vorwurf der Stasi-Mitarbeit zu machen, sei „absolut unangemessen“.

Außerdem wurden die betroffenen Sicherheitsleute auch von der Unterlagenbehörde nur übernommen. Und zwar von der nach 1989 demokratisierten Volkskammer und den Ministerien der inzwischen gewendeten DDR. „Ein Grund war eben auch, dass es lange Zeit nicht so viele Sicherheitskräfte gab, wie benötigt worden sind“, sagte Gauck. Das sei aber auch seit langem bekannt und Konsens. Die Vorwürfe seien deshalb ein „alter Hut“ und „künstlich aufgeblasen“.

Dieser Argumentation folgt auch die SPD. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse sagte gestern der taz, man solle „die Vorwürfe nüchtern betrachten“. Es gehe um Wachleute und nicht um IMs. Seine Partei werde sich nicht an übereilten Reaktionen beteiligen.