Die Viererbande

Eine Begegnung mit Barbara Albert, Regisseurin aus Wien und Mitglied der erfolgreichen Produktionsfirma coop 99

Nicht nur von einer nouvelle vague allemande ist zurzeit viel zu hören, sondern auch von einer nouvelle vague viennoise – einer Wiener Schule von Filmemachern und -macherinnen, die für ein anspruchsvolles, nicht kommerziell ausgerichtetes Autorenkino einstehen. Eine maßgebliche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Autoren- und Produktionsgemeinschaft coop 99, die 1999 von vier Absolventen der Wiener Filmakademie ins Leben gerufen wurde. Die RegisseurInnen Jessica Hausner, Barbara Albert, Antonin Svoboda und der Kameramann Martin Gschlacht arbeiten seither zusammen; sie produzieren eigene Projekte wie Hausners „Hotel“, Svobodas „Spiele Leben“ oder Alberts „Fallen“, aber auch solche, die von außen an sie herangetragen werden – etwa Hubert Saupers Dokumentarfilm „Darwin’s Nightmare“ oder Benjamin Heisenbergs „Schläfer“. Ist coop 99 mittlerweile so etwas wie eine Marke?

„Ja“, antwortet Barbara Albert bei einer Begegnung am Rande der Berlinale. „Aber mehr im Ausland als im Inland. In Österreich hängen wir es nicht so sehr an die große Glocke. Bei internationalen Festivals sind wir sehr erfolgreich, und auch unser Status bei den Geldgebern und Fördergremien ist erstaunlich gut. Zum Teil konnten wir sogar schon Geld zurückzahlen.“ Barbara Albert ist 36 Jahre alt, als Regisseurin hat sie bisher drei lange Spielfilme gedreht („Nordrand“, „Böse Zellen“ und „Fallen“), als Drehbuchautorin unter anderem an Ruth Maders „Struggle“ und an Michael Glawoggers „Slumming“ mitgewirkt. An der Produktion von Hans Weingartners neuem Film „Free Rainer“ ist sie beteiligt, ihren eigenen Film „Fallen“, der im Wettbewerb von Venedig lief, hat sie auch produziert, genauso wie „Grbavica“ von Jasmila Zbanic, der vor einem Jahr bei der Berlinale den Goldenen Bären erhielt. Wie geht sie, wie geht coop 99 mit dem Erfolg um?

„Nach der Berlinale 2006, nach dem Erfolg von ‚Grbavica‘, haben wir uns gesagt: Lasst uns innehalten und überlegen: Wie geht es weiter? Dabei haben wir gemerkt, dass wir nicht noch mehr Filme produzieren, noch mehr Regisseure an uns binden wollen. Denn dann könnten wir die Qualität nicht aufrechterhalten.“ Dass manche Produktionen an den Kinokassen gut funktionieren, schafft einen Freiraum: „Wir wissen, dass wir mit ein paar Filmen erfolgreich sein müssen, damit wir bestehen können. Aber wir brauchen zugleich für uns die künstlerische Freiheit – damit meine ich: Wir sind nicht mit jedem Film abhängig vom kommerziellen Erfolg.“

Die Arbeit in der Gruppe bietet Sicherheit, auch wenn sie mit Selbstausbeutung und Dauerbelastung einhergeht. Es ist deshalb notwendig, dass jedes Mitglied sich zurückziehen kann, um die eigenen Projekte zu verfolgen. In Konfliktsituationen wird geredet, nicht abgestimmt; negative Erfahrungen werden durch den Gruppenrückhalt aufgefangen. Schwierig wird es mitunter bei Festivals: „In einem Wettbewerb“, sagt Albert, „läuft der Film, den du produziert hast, in einer Nebenschiene dein eigener, das ist nicht gut fürs Ego.“ Doch die Kränkung hält nicht lange an: „Es ist eine Wechselwirkung, schließlich profitiere ich auch als Regisseurin von den Filmen, die ich produziert habe.“

Albert sieht trotz der Spaltung des österreichischen Produzentenverbandes keinen allzu dramatischen Konflikt, allein schon deshalb nicht, weil sich die österreichischen Produzenten, anders als ihre deutschen Kollegen, nicht um einen mit drei Millionen Euro dotierten Filmpreis streiten. „Wir wollen den Kampf nicht aufnehmen“, sagt sie im Hinblick auf die am kommerziellen Erfolg orientierten Produzenten, und sie ist überzeugt: Dass deren Arbeit wahrgenommen wird, hat nicht zuletzt mit dem guten Status der österreichischen Autorenfilmer zu tun. „Die kommerziellen Filme haben davon profitiert, dass zum Beispiel Ulrich Seidl ‚Hundstage‘ gemacht hat.“ CRISTINA NORD