MINDESTLÖHNE SIND EIN MENSCHENRECHT – UND NÜTZEN DER WIRTSCHAFT
: Müntefering lernt vom Ausland

Der großen Koalition gebührt ein Lob: Zumindest debattiert sie Reformen, die Deutschland auf den internationalen Stand der Dinge bringen würden. Die Verbesserung der Kinderbetreuung ist ein Beispiel dafür, die aktuelle Diskussion über den Mindestlohn ein anderes.

Mit der definierten Untergrenze für den Lohn aller Beschäftigten haben Staaten wie die USA und Großbritannien gute Erfahrungen gemacht. Sollte der Vorschlag von Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) umgesetzt werden, würde das der deutschen Wirtschaft wohl eher nützen als schaden.

Müntefering wird mit der Union in Kürze darüber reden, für welche Branchen Mindestlöhne sinnvoll wären. Der Arbeitsminister will diesen Schutzmechanismus möglichst weit über die gesamte Wirtschaft ausdehnen. Damit würde es für die Unternehmen schwerer, die Löhne ihrer Beschäftigten unter das Existenzminimum zu drücken. Denn darin besteht einer der unerträglichsten sozialen Missstände: Man arbeitet den ganzen Tag und hat trotzdem nicht genug Geld, um ein menschenwürdiges Leben zu führen.

Derartige Zustände widersprechen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948, der Bibel der säkularisierten Weltgesellschaft. Dass Deutschland Hungerlöhne für Beschäftigte bislang toleriert hat, verstößt mithin gegen anerkanntes Völkerrecht. Die Basissicherung ist auch deshalb notwendig, weil sie eine Voraussetzung dafür schafft, dass die moderne Wirtschaft überhaupt vernünftig funktioniert. Nur wer seiner Arbeit ohne Angst nachgeht, kann die Motivation und Leistung erbringen, die für den Erfolg einer Firma notwendig sind. Deshalb sollten sich Union und Unternehmerverbände nicht beschweren, dass Müntefering den Mindestlohn vorantreibt.

Dies gilt unter einer Voraussetzung: Der zukünftige Mindestlohn muss so bemessen und differenziert sein, dass er möglichst keine Arbeitsplätze vernichtet. In Branchen mit Tarifverträgen sollten Gewerkschaften und Arbeitgeber zuerst verhandeln. Wo derartige Einigungen nicht möglich sind, muss aber die Regierung eingreifen. Diese Idee ist nun in der Welt, ein Anfang ist gemacht.

HANNES KOCH