Schadenskontrolle

AUS AMMANKARIM EL-GAWHARY

Weil die Lage in Bagdad zu unsicher ist, traf sich US-Präsident George Bush gestern mit dem irakischen Premier Nuri al-Maliki in der jordanischen Hauptstadt Amman. Man habe sich darauf geeinigt, die Übergabe von Sicherheitsaufgaben an die irakische Armee zu beschleunigen, sagte Bush vor der Presse. Ein Datum für einen Abzug der US-Truppen wurde aber nicht genannt. „Wir werden gehen wenn der Auftrag erfüllt ist“, so Bush. „Er glaubt, dass wir nicht schnell genug waren, als es darum ging, ihm die notwendigen Mittel in die Hand zu geben, um das irakische Volk zu schützen“, erklärte Bush und deutete auf seinen Gesprächspartner. „Er ist der richtige Mann für den Irak, und wir werden ihm helfen“, drückte er seine Unterstützung für Maliki aus.

Wohl auch eine Art Schadenskontrolle. Am Mittwoch hatte die New York Times eine geheime Note des amerikanischen Nationalen Sicherheitsberaters Stephen Hadley veröffentlicht, in der dieser die Fähigkeiten Malikis in Zweifel zog, die konfessionelle Gewalt im Irak unter Kontrolle zu bringen. Maliki habe „gute Absichten“, die er allerdings nicht umsetzen könne, hieß es dort.

„Dinner for two“ hieß es dann gestern überraschend nach der Ankunft Bushs’ in Amman. Obwohl doch eigentlich drei geladen waren: Bush und der Gastgeber, Jordaniens König Abdallah, mussten dann aber allein zu Abend speisen, nachdem Maliki zwar bereits vor Ort, dem Treffen selbst aber ferngeblieben war. Ein Entschluss, den Maliki nach unbestätigten Angaben gefällt haben soll, weil er über Hadley aufgebracht war.

Aus Protest gegen Malikis Treffen mit Bush hat sich in Bagdad sein wichtigster Koalitionspartner im Parlament, der vom Schiitenprediger Muktada angeführte Sadr-Block mit 30 Abgeordneten und fünf Ministern zurückgezogen.

Bush hat es ebenfalls zunehmend schwer, die Rufe im eigenen Land nach einem Strategiewechsel zu ignorieren. Am 6. Dezember wird die Irak-Studien-Gruppe, die vom ehemaligen US-Außenminister James Baker angeführt wird und die eine neue US-Strategie im Irak entwickeln soll, ihre Ergebnisse veröffentlichen (siehe unten).

Joost Hiltermann, der Leiter des Nahostbüros der „International Crisis Group“ in Amman, einem prominenten Politberatungsinstitut, ist pessimistisch. „Es könnte für jeden Lösungsansatz, den Bürgerkrieg im Irak zu verhindern, bereits zu spät sein“, sagt er gegenüber der taz. Er schlägt auf innerirakischer Ebene vor, eine Konferenz nach dem Muster der Dayton-Konferenz zu veranstalten. Dort müssten alle Akteure zusammenkommen und die Probleme auf den Tisch legen, die das Land auseinanderdividieren.

Auf regionaler Ebene glaubt auch er, dass der Iran und Syrien unbedingt in eine Lösung miteinbezogen werden müssten. „Beide Länder haben vielleicht nicht genug Macht, die Ereignisse im Irak positiv zu beeinflussen, aber sie sind mit Sicherheit stark genug, eine Lösung zu sabotieren“, meint Hiltermann. „Die USA fordern vom Iran, tue dieses und tue jenes, und die Führung in Teheran lehnt sich bequem zurück und wartet bis der Preis für ihre Kooperation im Irak langsam steigt“, sagt er. Washington müsse endlich Gespräche mit dem Iran beginnen und akzeptieren, dass der Iran eine dominante Macht in dieser Region darstelle.

Die Möglichkeit eines Bürgerkriegs müsse in diesem Stadium in jegliche Planung mit einbezogen werden, sagt Hiltermann weiter. „Dann wird es vor allem darum gehen, die Auswirkungen außerhalb des Iraks einzudämmen“, glaubt er. „Es wird massive Flüchtlingsströme und einen über die Grenzen agierenden Terrorismus geben. Außerdem wird der Ölpreis steigen.“ Hiltermann spricht nur vom „Eindämmen“, denn es wäre unmöglich, die Auswirkungen eines Bürgerkriegs allein auf den Irak zu begrenzen.