Die Vision der Offenheit

KUNST Der Tänzerin Junko Wada ist man schon in Stücken von Sasha Waltz und eigenen Performances begegnet. Doch sie nutzt ihren Körper auch als Malerin und bereitet zurzeit eine Ausstellung im Haus am Waldsee vor

Nach jedem Pinselstrich macht sie eine kurze Pause und betrachtet das Bild

VON AURA CUMITA

Mit schlichten Bewegungen öffnet sie die Tür ihres Ateliers in Neukölln. Schlank und jung sieht Junko Wada aus. Ihre Schritte sind klein und sie scheint den Boden kaum zu berühren. Sie lächelt freudig und wirkt extrem elegant.

Ihr Atelier ist groß und hell. Über großformatige Bilder, die an den Wänden lehnen, laufen Pinselstriche in allen möglichen Farben: mal vorwiegend orange oder rot, blau oder grün. Dass hinter jedem Pinselstrich eine Bewegung des ganzen Körpers steckt, erahnt man nicht.

Zurzeit sind einige ihrer Bilder ausgestellt in einer Anwaltskanzlei in Berlin unter dem Titel „private Landschaften“. Ab 14. August wird sie als Sommergast für zehn Tage im Haus am Waldsee zu sehen sein.

Junko Wada, geboren 1955, stammt aus Tokio, und dort hat sie ab 1974 Malerei an der Musashino Universität of Art studiert und gleich darauf eine Ausbildung im zeitgenössischen Tanz an der Akira Kasai Tanz Institut absolviert. Ihr Weg zu dem künstlerischen Duo Malerei und Tanz folgt einer Spur der Abstraktion, des Absehens vom Narrativen und Gegenständlichen. Schon während des Studiums begann sie über das Verhältnis zwischen Bewegung und Malerei nachzudenken. Wenn sie heute anfängt zu malen, dann versucht sie innerlich leer zu werden, und das, was dann ohne gewollte Steuerung noch übrig bleibt, sei ihr Selbst, meint sie. Die Spuren der Bewegungen dieses Selbst sind es, die als Pinselstriche auf der Leinwand auftauchen.

Atmosphärischem folgen

Am Anfang des Prozesses ist die Bewegung wenig strukturiert. Nach jedem Pinselstrich macht sie eine kurze Pause und betrachtet das Bild in Ruhe. Alles Narrative oder Politische sei nicht ihr Weg. Sie glaubt, dass alles, was zu realistisch ist, eine zu enge Vision der Welt bietet. Das Abstrakte hingegen macht sie ungebunden: „Abstrakt bedeutet für mich Freiheit. Meine Arbeitsweise ist offen. Andere Menschen schauen sich meine Kunst an und fangen an, Geschichten zu erzählen“, sagt Junko Wada. Das stört sie nicht.

Was sie hingegen in ihrer Arbeit sucht, ist vielmehr etwas Transzendentes, etwas, was man nicht einfach so beschreiben kann. Auch wenn sie als Tänzerin und Performerin auftritt, geht es nicht um Behauptung von Bedeutung. „Ich spüre einen deutlichen Einfluss von etwas, das immer vorhanden ist, etwas Atmosphärisches“, beschreibt Junko Wada ihr Material.

Für das Pendeln zwischen Malerei und Tanz und die Verbindung von beidem über den Körper,musste sie ihren eigenen Weg erst suchen. Am Anfang in Tokio, aber auch im Deutschland der 90er Jahre war es noch unüblich, sich nicht auf eine Sache zu konzentrieren. Heute ist das anders, und die Leute haben ihre Arbeitsweise akzeptiert und ihre Kunst verstanden.

Junko Wada war schon viele Male in Deutschland gewesen, als Stipendiatin auf Schloss Solitude oder in Bremen, bevor sie aus Liebesgründen nach Berlin zog. Sie ist mit dem Komponisten und Soundkünstler Hans Peter Kuhn zusammen, mit dem sie seit zwanzig Jahren auch zusammenarbeitet. Aber sie sagt auch, dass es für zeitgenössische Künstler hier einfacher ist als in Japan. Während die traditionelle Kunst in Japan sehr gefördert wird, ist es für zeitgenössische Künstler sehr viel schwieriger. Und so erklärt sich Junko, warum so viele japanische Künstler überall auf der Welt arbeiten.

Tanz und Performance sind für sie auch ein Mittel, biografische Situationen zu bearbeiten. 2001 war sie unzufrieden mit ihrem Deutsch und entschied sich, ein Tagebuch in traditionell japanische Schreibweise und mit dem Kalligrafiepinsel vor Publikum zu führen in der Galerie „Gelbe Musik“. Dies sollte „eine Art Hilfestellung für mich sein, mit Berlin, Deutschland und besonders mit der deutschen Sprache vertraut zu werden.“

Partner Klangkunst

Sie spricht mit Begeisterung von der Zusammenarbeit, die sie mit anderen Künstlern in Berlin erfahren hat. Zum Beispiel mit ihrem Mann Hans Peter Kuhn oder mit Rolf Julius, der Skulpturen und Installationen für Geräusche und Musik baute. „Ich liebe den Klang, er schafft Raum und gibt mir eine gute Basis zum Tanzen.“ Auch mit der Choreografin Sasha Waltz kam sie in vielen Projekten zusammen und wird demnächst wieder mit deren Oper „Matzukaze“ auf der Bühne in Lille stehen. „Ich mag mit Charakteren arbeiten, die mir gegenüber gegensätzlich sind, zum Beispiel einen mehr technischen Ansatz haben“, sagt sie. Sie ist in Berlin im Podewil, in der Schaubühne, im Haus der Kulturen der Welt und der Akademie der Künste aufgetreten.

Die Verbindung zwischen bildender Kunst und Tanz existiert in ihrer Arbeit schon lange. In ihrer Ausstellung im Haus am Waldsee wird ein Video und eine Performance diesen Prozess offenlegen. Vor Publikum ist das bisher erst einmal geschehen.

■ Junko Wada, Haus am Waldsee, Eröffnung 14. 8., 19.30 Uhr mit einer Live Performance; bis 24. 8.