Ikonoklastische Ikonen

DIY-POP Wreckless Eric und Amy Rigby sind jede(r) für sich eine Legende. Am Dienstag präsentiert das Punk-Veteranen-Pärchen eigenwillig interpretierte Cover-Songs

Weitgehend unbeachtet hat Wreckless Eric mit DIY-Geste immer großen Pop gemacht

VON ROBERT MATTHIES

Für viel schämt sich Eric Goulden alias Wreckless Eric heute sicher nicht. Aber dass ausgerechnet Cliff Richard für die höchste Chart-Platzierung eines seiner Songs verantwortlich zeichnet, das ist schon ein wenig peinlich. Aber eben auch bezeichnend für das, was der 56-Jährige in seiner – wie so oft von der Kritik gefeierten, aber kommerziell kläglich gescheiterten – Autobiografie, dem „Wreckless Eric Manual“, seinen „dysfunctional success“ nennt: seit er Ende der 70er unter anderem neben „Madness“, Nick Lowe und Elvis Costello, denen durchaus „functional success“ beschieden war, zum Personal des legendären Pub-Rock-, Punk- und New-Wave-Labels Stiff Records gehört hatte – wobei er 1977 gleich mit seiner ersten Single „(I’d Go The) Whole Wide World“ mit Lowe am Bass und Ian Dury am Schlagzeug einen der kleineren Hits der Punk-Ära verbuchen konnte – hatte der waghalsige Eric vor allem als Trinker eine beachtliche Karriere vorzuweisen.

Doch was in die Abbruchsstimmung der späten 70er noch hervorragend gepasst hatte, wurde in den glatten 80ern zunehmend zur Grundlage eines grandiosen Scheiterns. Dabei war Goulden kein schlechterer Songwriter als etwa sein „unangenehm ambitionierter“ Kollege Costello. Aber für das Radio waren seine Songs dann doch immer zu ungebügelt und uncool. Und Wreckless Eric als Mensch zu sehr stinkiger Misanthrop – und zu oft besoffen.

„Big Smash!“ hieß 1980 ironischerweise sein immerhin auf Platz 30 der UK-Charts geklettertes viertes und letztes Stiff-Album – von dem auch besagtes Cliff-Richard-Cover stammt. Retrospektiv war das aber eher ein tragikomischer Versuch, doch noch auf der Pop-Welle surfen zu können. Goulden jedenfalls hatte danach genug vom Musik-Business, zog sich in sein Home-Studio und in den Underground zurück, veröffentlichte ein Paar Platten mit einer Reihe unterschiedlicher Bands und widmete sich sonst ganz seiner Karriere als „Vollzeit-Alkoholiker“. Aber sogar daraus ist letztlich nichts geworden. Ende der 80er entsagte Goulden auch den Weinflaschen und zog stattdessen erst mal für zehn Jahre ins Weinland Frankreich aufs Land, um sich zu besinnen.

Dabei hat Wreckless Eric all die Jahre von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet beständig mit DIY-Geste großen Pop gemacht. Unerschrocken, von Bubblegum über Garage und Psychedelia bis zu Techno: Wie „Bo Diddley, der versucht Aphex Twin auszustechen“ klinge sein letztes Wreckless-Eric-Album „Bungalow Hi“, war Warp-Legende Andrew Weatherall vor ein paar Jahren voller Lob.

Seit ein paar Jahren ist Goulden nun auch mit seiner Ehefrau Amy Rigby zu erleben. Die ist dabei keineswegs nur Sidekick des Punk-Exzentrikers. In den 80ern war sie im Umfeld des legendären Clubs CBGB eine der großen Heldinnen des New Yorker Underground, leistete mit ihrer Cowpunk-Band „The Last Roundup“ und ihrem Folk-Trio „The Shams“ – eine Reminiszenz an die skurrilen Outsider-Musikerinnen „The Shaggs“ – Pionierarbeit für den Alternative Country der 90er. 1996 legte sie dann mit ihrem Solo-Debüt „Diary of a Mod Housewife“ für viele das Konzept-Album des Jahres vor und hat seitdem fünf allesamt hochgelobte Alben zwischen Pop, Country, Folk und Psychedelia veröffentlicht.

Am Dienstag stellen Wreckless Eric und Amy Rigby ihr zweites gemeinsames Album „Two-Way Family Favourites“ – benannt nach einer beliebten BBC-Radio-Wunschkonzert-Sendung – vor, das sie vor kurzem auf ihrem eigenen kleinen Label Southern Domestic veröffentlicht haben. Darauf hat das Punk-Veteranen-Pärchen zehn ausgesuchte Cover-Songs vom „Byrds“-Hit „Ballad Of Easy Rider“ bis zu „Smokie“s „Living Next Door To Alice“ versammelt und voller nostalgischer Inbrunst rumpelig und souverän-eigenwillig interpretiert. Eine zünftige Ü-40-Mitsingparty wird es also in jedem Fall. Den Abend der ikonoklastischen Ikonen perfekt machen dann Hamburgs Punk-Grantler Nummer eins Jens Rachut und seine kongeniale musikalische Begleitung Jonas „Jones“ Landschier mit einer angemessen lauten Lesung.

■ Di, 22. 3., 20 Uhr, Kampnagel, Jarrestraße 20