Heilbad muss dringend zur Kur

Cuxhaven ist die am höchsten verschuldete Stadt Niedersachsens. Ihre dramatische Lage ist seit Jahren bekannt, trotzdem wachsen die Schulden munter weiter – die Menschen wandern ab

VON GERNOT KNÖDLER

Cuxhaven hätte den geplanten Tiefwasserhafen gut brauchen können. Die Stadt ist die am höchsten verschuldete des Landes. Schon 2001 konstatierte ein Gutachter, „dass die Probleme der Stadt Cuxhaven von der Stadt alleine nicht gelöst werden können“. Daran scheint sich im wesentlichen nichts geändert zu haben. „Das, was wir als Kommunalpolitik machen konnten, haben wir gemacht“, sagt Gunnar Wegener, Fraktionschef der oppositionellen SPD im Stadtrat. „Jetzt muss uns das Land helfen.“ Doch vom Land kommt, zumindest nach Ansicht von SPD und Linker Alternative, viel zu wenig.

Ulrich Schröder, Ratsmitglied der Linken Alternative, zeichnet ein dramatisches Bild der Haushaltslage. Cuxhaven werde in diesem Jahr erneut doppelt soviel Geld ausgeben als einnehmen. Das Defizit liege sechsmal so hoch wie der Durchschnitt aller deutschen Städte. Allein die jährlichen Zinszahlungen hätten sich in den letzten zwei Jahren auf zehn Millionen Euro verdoppelt. Jeder Cuxhavener sei mit mehr als 4.000 Euro verschuldet. Zum Vergleich: Für 2004 ermittelte der Bund der Steuerzahler für die größeren Städte Niedersachsens eine durchschnittliche Pro-Kopf-Verschuldung von 2.111 Euro. Die Stadtverwaltung konnte diese Zahlen gestern nicht kommentieren.

Es scheint unstrittig zu sein, dass die Stadtführung Fehler gemacht hat. Lange Zeit hätten sich Politik und Verwaltung nicht damit abfinden können, dass Cuxhaven seinen Status als kreisfreie Stadt verlor und nur noch einen Sonderstatus im Landkreis behielt, sagt SPD-Fraktionschef Wegener. Lange Zeit habe die Stadt Aufgaben erledigt, für die eigentlich der Kreis zuständig gewesen sei – und die entsprechenden Kosten getragen. In seinem umfassenden Gutachten zur Haushaltslage aus dem Jahr 2001 empfahl der ehemalige Staatssekretär Stefan Diekwisch, eine effizientere Aufgabenverteilung zwischen Stadt und Kreis.

Diekwisch fiel auch auf, „dass eine exakte konzeptionelle Definition dessen, was die Entwicklungsperspektive dieser Stadt ausmacht, entweder gänzlich fehlt oder nur in Fragmenten ausgebildet ist“. Es fehlten verbindliche stadtpolitische Leitlinien und eine entsprechende Agenda. Statt sich auf Hamburg hin zu orientieren, sollte die Stadt mit ihrer Region zusammenarbeiten. Überdies, so die Bewertung im April 2001, sei die Führungskultur in der Stadtverwaltung unzureichend. Deren innere Verfassung weise „erhebliche Reserven“ auf.

In den vergangenen zehn Jahren hätten Rat und Verwaltung „dramatische Sparanstrengungen gemacht“, sagt Wegener. Das defizitäre Krankenhaus wurde verkauft, ebenso die Stadtwerke, die Wegener zufolge rentabel betrieben werden konnten. Der meisten freiwilligen Aufgaben habe sich die Stadt entledigt. Die freiwilligen Leistungen – ein Stadttheater für Gastspiele, die Musikschule, niedrige Kindergartenbeiträge – machten höchstens zwei Prozent des Budgets aus. Wer Familien anlocken wolle, dürfe aber bei den Kindern nicht sparen. Doch die äußeren Umstände sind schlecht: Lebten 1989 noch fast 56.000 Einwohner in Cuxhaven, sind es heute nur noch rund 52.000.

Mit dem Niedergang der Fischerei und der Aufgabe der meisten Militärstandorte habe es immer weniger Arbeitsplätze gegeben, sagt der städtische Pressesprecher Stefan Leidinger. Zwischen Elbe und Nordseeküste gelegen fehle der Cuxhavener Wirtschaft das Umland. Der wichtigste Wirtschaftszweig sei inzwischen der Tourismus.

Doch gerade der Tourismus bringe für die arme Stadt auch große Belastungen mit sich, sagt Wegener. Es koste Millionen, eine Infrastruktur vorzuhalten, mit der im Sommer so viele Besucher wie Einwohner versorgt werden könnten. Als Heilbad brauche die Stadt einen Kurpark und einen schönen Strand.