Der Herbst des Wiener Fußballs

In der österreichischen Bundesliga verlieren die großen Wiener Traditionsvereine derzeit regelmäßig selbst gegen Provinzklubs. Der Austria droht finanzielles Ungemach, Rekordmeister SK Rapid könnte sich bald schon in der Zweiten Liga wiederfinden

aus wien ralf leonhard

Hans Krankl ist „maßlos traurig“. Der ehemalige Nationaltrainer Österreichs und Torschütze beim historischen Triumph über Deutschland in Córdoba (1978) sinnierte kürzlich in einer Kolumne über den drohenden Abstieg seiner Mannschaft: Rapid Wien. Der Rekordmeister, der in seiner 107-jährigen Geschichte immer in der obersten Spielklasse gespielt hat, sackte letzte Woche nach einer Serie von Niederlagen auf den untersten Tabellenplatz in der österreichischen Bundesliga ab. Krankl, zu Lebzeiten schon Rapid-Legende, gehört zu jener nicht untypischen Spezies, die ihr Leben lang mit sentimentaler Anhänglichkeit hinter der Mannschaft aus Wien-Hütteldorf steht. Man wird als „Grün-Weißer“ geboren. Ein Wechsel der Loyalität zu dem ewigen Rivalen, den „Violetten“ von Austria Wien, ist fast denkunmöglich. Dementsprechend schmerzt der drohende Abstieg.

Die Krise begann schon im Frühjahr 2005, als Rapid wieder einmal den Meistertitel holte. Sechs wichtige Spieler fielen gleichzeitig durch Verletzung aus. In der Champions League blamierte man sich im Herbst mit sechs Schlappen in Folge und einem vergebenen Elfmeter im Auftaktspiel gegen den FC Bayern. Dann wurde der bewährte Trainer Josef Hickersberger über Nacht zum Teamchef berufen, und kurz darauf ließen sich die beiden Starspieler Steffen Hoffmann und Andreas Ivanschitz abwerben. Beide gleichzeitig gehen zu lassen war für Rainer Fleckl, Fußballexperte beim Wiener Kurier, ein entscheidender Fehler. Im Team wurde die Disziplin locker. Hoffmann konnte zwar vom Vereinspräsidenten persönlich zurückgeholt werden, verletzte sich aber gleich so schwer, dass er Monate ausfiel.

Fleckl gehört zu den Kennern der Szene, die der Traditionsmannschaft aufgrund ihrer mannschaftlichen Stärke zutrauen, dass es im Frühjahr wieder bergauf geht. Peter Stöger, selbst ein ehemaliger Rapid-Star, hält den Abstieg aber nicht für unmöglich. Die Gefahr, so Fleckl, liege in der psychischen Komponente. Trainer Peter Pacult hat in 13 Pflichtspielen einen einzigen Sieg zustande gebracht. So was zehrt am Selbstbewusstsein.

Da ist es kein Trost, wenn es dem ewigen Rivalen, Austria, auch nicht viel besser geht. Auch die Mannschaft aus dem Horr-Stadion in Favoriten grundelt am unteren Ende der Tabelle herum. Es ist allerdings nicht mehr dieselbe, die im vergangenen Frühjahr die Meisterschale nach Hause trug. Seither sind nicht weniger als 18 Spieler, darunter Leistungsträger wie Libor Sionko, Filip Sebo oder Roland Linz, abgewandert. Denn die Vereinskasse könnte bald weniger prall sein. Sponsor Frank Stronach will sich im nächsten Sommer zurückziehen. Ob ein neuer potenter Mäzen gefunden werden kann – Burger King ist im Gespräch –, steht noch in den Sternen. Vergangenen Donnerstag ging das Team im Prater-Stadion gegen den tschechischen Meister Sparta Prag sang- und klanglos unter (0:1). Das war der Abschied vom Uefa-Cup. In der Qualifikation zur Champions League war Austria den Portugiesen von Benfica Lissabon hoffnungslos unterlegen.

Aber nicht nur gegen die Spitzenmannschaften Europas ist der Traditionsverein chancenlos. Selbst im eigenen Land muss er sich vor Aufsteigern aus der Provinz fürchten. Der austrokanadische Milliardär Stronach hatte versprochen, die „Prater-Veilchen“ mit seinen Millioneninjektionen binnen kürzester Zeit zum europäischen Spitzenteam zu machen. Für diesen Plan verheizte er eine Legion von Trainern mit großen Namen, die nach der ersten Schlappe vor die Tür gesetzt wurden.

Rapid hat es da besser. Das mit 11 bis 12 Millionen Euro relativ bescheidene Budget hängt nicht von den Launen eines Tycoons ab, sondern wird von einer Gruppe von Sponsoren getragen. Ein Schicksal wie von Wacker Tirol muss man nicht fürchten. Die Mannschaft musste vor einigen Jahren unmittelbar nach dem Meistertitel wegen eines Finanzskandals aufgelöst und in der Regionalliga neu gegründet werden.