WENN DIE TÜRKEI FLEXIBLER WIRD, SOLLTEN ES AUCH DIE EUROPÄER SEIN
: Versuch in letzter Minute

Vor allem dem türkischen Außenminister Abdullah Gül ist wohl schon länger klar gewesen: die Türkei muss die Zollunion mit Zypern umsetzen. Deshalb hat er Ministerpräsident Erdogan jetzt kurz vor Toresschluss doch noch dazu bewegen können, einer flexibleren Haltung zuzustimmen. Wenn auch nicht im Detail, so geht die Türkei doch jetzt im Prinzip auf den von der finnischen Ratspräsidentschaft ja schon vor Monaten vorgeschlagenen Weg ein.

Das hat vor allem zwei Gründe. Nach dem Auftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Chirac vor wenigen Tagen musste die türkische Regierung einsehen, dass sie mit ihrer bisherigen Haltung den prinzipiellen Gegnern eines türkischen EU-Beitritts eine Steilvorlage geliefert hat. Merkel und Chirac nutzten sie, um mit ihrer Revisionsklausel die EU-Türkei-Verhandlungen noch einmal ganz grundsätzlich in Frage zu stellen. Sosehr man in der türkischen Regierung und der türkischen Öffentlichkeit auch von den Signalen aus Teilen der EU frustriert ist – jetzt die Tür zuzuknallen und damit genau das zu tun, worauf Merkel und andere hoffen, will man denn doch nicht.

In dem engen Rahmen, den die Regierung Erdogan angesichts des beginnenden Wahlkampfs überhaupt hat, ist der jetzige Vorschlag deshalb ein Versuch, denjenigen innerhalb der EU, die Verhandlungen mit der Türkei aufrechterhalten wollen, Argumente an die Hand zu geben, die ihre Position stärkt. Das sind vor allem die Briten, Spanier, Finnen und Schweden.

Wichtig ist dabei, dass innerhalb der EU auch wieder eine Diskussion darüber in Gang kommt, wie man auf Zypern zu einer fairen Lösung kommen kann. So wie es jetzt läuft, würde die Regierung Papadopoulos auch nach einer Öffnung der Flug- und Seehäfen der Türkei gleich das nächste Hindernis aufbauen, und das Theater ginge sofort weiter. Nachdem die EU sich einmal bereit gefunden hat, die geteilte Insel aufzunehmen, muss sie sich nun auch engagieren, die Teilung nachträglich zu überwinden. JÜRGEN GOTTSCHLICH