„Was heute fährt, ist Irrsinn“

VON ANNIKA JOERES

taz: Herr Pautzke, wie weit kann ich mit Ihrem Solarmobil unter der Sonne Nordrhein-Westfalens fahren?

Friedbert Pautzke: Für ein paar Stunden bei vierzig bis fünfzig Km/h pro Stunde wird es schon reichen.

Ihr Solarmobil stößt keine Schadstoffe aus und muss nicht tanken. Steuerlich wäre es also supergünstig. Klingeln bei Ihnen jetzt schon die Autohersteller an?

Nein. Das ist noch in ferner Zukunft. Unser Mobil ist kaum straßentauglich: Es hat nur Platz für eine Person, keinen Gepäckraum, keine Beleuchtung. Und es ist sehr empfindlich, es besteht ja aus laminierten Kohlefasern und wiegt nur 200 Kilo. Außerdem ist es noch unglaublich teuer: Allein die Solarzellen auf der Karosserie kosten 300.000 Euro. Das ist absolute Hightech aus der Weltraumtechnik, nicht das, was hier auf den Dächern montiert ist. Nicht eingerechnet sind die 45 Studierenden, die zwei Jahre lang kostenlos mit sehr großem Engagement daran arbeiten. Dass so etwas bald als Serienauto auf der Straße fährt, ist illusorisch.

Wie sieht dann das realistische Auto der Zukunft aus?

Prognosen sind absolut schwierig. Früher gab es den Käfer, jetzt den Smart, wer hätte das vorhersagen können? Ich kann Ihnen nur sagen, dass es nicht so aussehen wird wie die jetzigen Automobile. Was da heute auf den Straßen fährt, ist absoluter Irrsinn. Zum Beispiel die Antenne und der Außenspiegel: Sie würden bei unserem Solarmobil so viel Widerstand in der Luft aufbauen wie die gesamte Karosserie. Es ist eigentlich unvorstellbar, dass so etwas noch gebaut wird. Wir haben in unserem Mobil eine Kamera eingebaut, auch sie wird mit den Solarenergie betrieben. Das macht die Spiegel überflüssig.

Sie haben mit Ihrem Gefährt dreitausend Kilometer australischen Outback in fünf Tagen durchquert. Warum sind Sie so skeptisch, dass es irgendwann in Serie geht?

Weil diese Prozesse alle sehr lange dauern. Wenn heute ein PKW vom Band geht, wurde bis zu fünf Jahre daran entwickelt – für viele Veränderungen im Detail, aber minimale Veränderungen im Gesamtkonzept. Die Solarzellen können nie so effektiv sein, dass sie ein Auto nach jetzigem Verständnis betreiben können. Es wird auf jeden Fall auf eine Mischung hinauslaufen, wir werden unterschiedliche Energiequellen nutzen, hybride Technik: Verbrennungs- gepaart mit Elektromotoren.

Die Rechenleistung von Computern verdoppelt sich alle zwei Jahre – wieso nicht der Wirkungsgrad von Solarzellen?

Weil die Sonne nicht genügend Leistung liefert, selbst wenn der Wirkungsgrad hundert Prozent betrüge. Verstehen sie mich nicht falsch: Dass dieses Auto fährt, ist schon eine Revolution. Im Prinzip wird es mit der Leistung eines Toasters betrieben. Aber wir bauen dieses Mobil auch nicht, um damit in Serienproduktion zu gehen: Das ist ein großes Lehrforschungsprojekt, wir wollen unsere Studierenden auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereiten: Die heißen für mich erneuerbare Energien und effizientere Nutzung. Und interkulturelle Kompetenz: Sie fahren zusammen in internationalen Teams, lösen die Probleme in Zusammenarbeit mit Engländern, Neuseeländern, Australiern, Franzosen...

Sind Ihre Studierenden aus der Ökobewegung? Oder doch eher aus der Autoszene?

Wir hatten mal einen, der hatte ein tiefer gelegtes Fahrzeug. (lacht) Aber es sind natürlich technikbegeisterte Menschen. Übrigens ist bei uns der Frauenanteil verhältnismäßig groß: Alle Mechatronikerinnen machen beim Projekt mit...

... das sind wahrscheinlich auch insgesamt nur zwei...

Ja, aber das Interesse an der Technik ist insgesamt sehr groß. Die Ingenieure wollen Alternativen. Es macht keinen Sinn, dass ökologisch denkende Menschen im stillen Kämmerlein sitzen und sich ein paar Projekte ausdenken. So verändern sie nicht den Automarkt.

Ohne die Ökos gäbe es wohl kaum Forschung für Solarzellen, für alternative Energien.

Sicher, sie haben das ökologische Denken erst in der Gesellschaft verankert. Sie können es initiieren, aber nicht umsetzen. Unsere früheren Absolventen arbeiten später bei BMW, bei Hella, Bosch und anderen Automobilzulieferern. Sie sitzen dann an den entscheidenden Stellen. Ich hoffe, sie tragen dort unsere Gedanken für regenerative Energien und eine effiziente Energienutzung weiter.

Sie selbst haben sich auch verändert – früher waren sie Betriebsleiter in der Stahlindustrie.

Auch auf dem Hüttenwerk habe ich darauf geachtet, dass Energie effizient genutzt wird, die Umweltregularien eingehalten werden. Zumindest ein Teil meiner Arbeit bestand darin. Die Bereiche sind gar nicht so unterschiedlich.

Werden Sie dieses Jahr auch wieder an dem Wettrennen durch Australien teilnehmen?

Natürlich. Am meisten freut mich immer, dass wir in den letzten beiden Wettkämpfen nur zwei Plätze hinter den Studierenden vom Massachusetts Institute of Technology lagen, also knapp hinter der absoluten Eliteuniversität. Und das, obwohl hierzulande die Fachhochschulen immer so schlecht gemacht werden. Aber im Grunde genommen ist das auch kein wirkliches Konkurrenzdenken: Wir leihen uns gegenseitig Ersatzteile, tauschen uns aus, feiern zusammen. Nur jetzt, in den Monaten vor dem Rennen, wahren alle ihr Geheimnis.

Wird es denn große Überraschungen geben?

Ich glaube, unser Modell wird die größte Überraschung sein. In den vergangenen Jahren gab es immer nur sehr flache Fahrzeuge, um eine senkrechte Sonneneinstrahlung auf die Solarzellen zu ermöglichen. Wir haben jetzt erstmals ein aerodynamisch geschwungenes Auto, in dem der Fahrer komplett verschwindet. Das ist schon revolutionär.

Wer forscht denn international an den Zukunftsautos?

Das sind überwiegend Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Es gibt nur ein professionelles Solarrennwagenteam auf der Welt, Aurora aus Australien.

Verpassen die Konzerne nicht gerade wieder den Anschluss an die zukünftigen Technologien? In Deutschland wurde das 3-Liter-Auto wieder vom Markt genommen, Renate Künast rät jetzt dazu, japanische Hybridautos zu kaufen.

Hätte jeder grüne Politiker sich zur Regierungszeit ein 3-Liter-Auto gekauft, dann hätte es die Marke auch geschafft. Da wurde viel verpasst, von beiden Seiten.

Welches Auto fahren Sie denn privat?

Ich fahre einen Lupo, das Dreiliter-Auto. Früher bin ich einen Porsche gefahren.

Ist das nicht ein Abstieg?

Überhaupt nicht. Früher hatte ich Spaß beim Fahren, jetzt habe ich Spaß beim Tanken. Mich interessiert sowieso vor allem die Technik, und in dem Lupo steckt die neueste Technik überhaupt. Nur wird sie eben nicht ausschließlich für Drehmoment und Geschwindigkeit genutzt, sondern auch für einen energiesparenden Antrieb. Das ist doch faszinierend.

In Deutschland wird dieses Energiespar-Modell aber nun nicht mehr angeboten.

Ich kann einfach nicht nachvollziehen, dass dieses Fahrzeug in Deutschland wieder vom Markt genommen wurde. Die Menschen beginnen doch langsam umzudenken. Auch wenn die meisten bei einem Dreiliter-Auto immer noch an den Hubraum denken.