gottschalk sagt
: Schade um den Planeten

Hier ganz in der Nähe, in Erftstadt-Liblar, hatten sie den Schleyer festgehalten und zum dreißigjährigen Jubiläum fuhr der Kölner Express natürlich hin und fand in dem berühmten Hochhaus tatsächlich eine Zeitzeugin, die meinte, damals einer Terroristin im Hausflur begegnet zu sein. Und sie erinnert sich, als wäre es gestern gewesen: „Sie hat nicht gegrüßt“. Arbeitgeberpräsidenten erschießen und im Treppenhaus nicht grüßen, das wird übelgenommen in Deutschland, die RAF hat jedenfalls recht schlechte Umfragewerte momentan. Die Marktforschung hat rausgefunden, dass die Mehrheit die Gefangenen im Gefängnis lassen möchte. Allerdings ist dies einer der wenigen Bereiche, in denen ihre Ergebnisse für die Entscheidung eher irrelevant sind, was Ehemalige wie der Innenminister Kinkel (FDP) und ich (parteilos) gut finden.

Übrigens: Neulich wurde ich in ein Gespräch mit einem selbstbewussten Außendienstler verwickelt, der die Meinung vertrat, heutzutage sei ja gar nichts mehr los und auch in der Politik wären ja nur noch Weicheier am Start. Die Baader-Meinhoff-Bande damals, die hätten noch richtig Action gemacht und der Franz-Josef Strauß, dass sei ein echter Kerl gewesen, die Sorte gäb‘s ja heute gar nicht mehr. Sagte er tatsächlich in einem Satz. Buback, Ponto, Schleyer, coole Sau, der Bayer.

Rauchverbot? Sowas gab es in den Siebzigern auch noch nicht, das hätte Helmut Schmidt nie zugelassen. Aber es ist doch so: Wir Raucher wissen doch eigentlich, dass die Nichtraucher recht haben. Wir können es natürlich nicht zugeben, weil man eben von Bier unheimlich Schmacht kriegt und deshalb in der Kneipe gerne weiterhin rauchen möchte. Solange man auf Fotos noch rauchen darf ist mir eigentlich alles egal. Ansonsten werden wir wohl vor die Tür gehen müssen, wo es ja gar nicht mehr so kalt ist wegen des Klimawandels.

Klimawandel gab es in den Siebzigern auch noch nicht, aber ich mache mir keine Sorgen. Erstens hat die Wissenschaft ausgerechnet, dass Klimaschutz finanzierbar ist. Das ist schon mal gut, wäre es zu teuer gewesen, hätte man den Planeten vermutlich aufgeben müssen, wäre ja schade drum. Zweitens organisiert Al Gore jetzt das Live-Earth-Konzert und danach finden Umweltschutz alle total cool. Ökostyle wird hip. Snoop Dogg macht mit, in Rap-Videos werden also demnächst alle Fahrrad fahren oder lässig im Smart durch die Hood kurven. Gucci arbeitet an einer Kollektion von Norwegerpullovern, Armani hat die Nickelbrille wiederentdeckt und dem Vernehmen nach arbeitet Ferrari an einem Drei-Liter-Auto.

Neben Autos sind übrigens Reisfelder (Methan) und Rinder (noch mehr Methan!) die größten Klimakiller, Rind Chop Suey und dann mit dem Mercedes 500 nach Hause, sowas muss man sich in Zukunft verkneifen. Ich werde also Verzicht üben und nur noch Schweineschnitzel mit Pommes essen, der Umwelt zuliebe. Doch wo wird am meisten Reis gegessen, während die Zulassungszahlen für Kraftfahrzeuge rasant steigen? In China. Hierzu würde ich gerne mal die Meinung des umtriebigen Außendienstlers hören. Vielleicht hat er ja sogar mehrere.

Fotohinweis: CHRISTIAN GOTTSCHALK lebt in Köln und sagt die Wahrheit – alle zwei Wochen in der taz