Das Wesen von der Weser

ABSTIEGSKAMPF Disziplinierte und engagierte Mannschaftsleistung: Werder Bremen holt drei wichtige Punkte beim 1. FC Nürnberg

Fehlentscheidungen, individuelle Klasse oder Glück spielten keine Rolle

Werder Bremens Stürmer Claudio Pizarro ist ein Virtuose am Ball, auch das Spiel mit der Wahrheit beherrscht er nach vielen Jahren Profi-Fußball ganz gut. Zur Debatte stand nach dem Spiel der Elfmeter, den Pizarro in der 89. Minute zugesprochen bekommen hatte – nach einem vermeintlichen Foul von Nürnbergs Torwart Raphael Schäfer. Ob dieser ihn überhaupt berührt habe, wurde Pizarro gefragt. „Ich glaube schon“, sagte er und rieb sich die Nase. Und was hätte er dem Schiedsrichter auf dem Platz geantwortet? „Hmm“, sagte Pizarro, „der Schiedsrichter hat mich nicht gefragt.“

Der Elfmeter sorgte am Samstag in Nürnberg für viel Gesprächsstoff, aber die eigentliche Geschichte des 3:1-Auswärtssieges von Werder Bremen ist, dass Werder aufgrund einer Mannschaftsleistung verdient gewann – Last-Minute-Aktionen, Fehlentscheidungen, individuelle Klasse oder gar Glück spielten dabei keine Rolle. Das ist bemerkenswert, weil Werder im Lauf der Saison der Teamgeist derart abhandengekommen ist, dass es in den verbleibenden Saisonspielen um den Abstiegskampf gehen wird. Der Sieg in Nürnberg verschafft den Bremern etwas Luft, mehr aber auch nicht: Vom Relegationsplatz trennen Werder nun vier Punkte.

Nach schmerzvollen Erfahrungen, beispielsweise dem 0:4 in Hamburg vor vier Wochen, hat bei den Bremern eine Rückbesinnung auf eine solide und kompakte Spielweise eingesetzt. Trainer Thomas Schaaf spielte auch in Nürnberg ein 4-4-2-System mit Raute. Gespielt wurde diszipliniert und engagiert, und das hieß: Jeder hält seine Position, alle arbeiten nach vorn und nach hinten, jeder achtet auf den anderen. Das Mannschaftsgefüge bewegt sich über den Platz wie ein einziges Wesen mit ständig korrespondierenden Gliedmaßen.

Gastgeber Nürnberg kam dadurch zwar kaum zu Torchancen, die Überraschungsmomente aber blieben rar: Zwei der drei Bremer Tore waren Elfmetern geschuldet, die Sandro Wagner sicher verwandelte. Beim dritten Tor fälschte Nürnbergs Verteidiger Andreas Wolf einen Schuss von Pizarro ab. Werder hatte sich diese Tore also weniger erspielt, als erarbeitet: Das Team, in der Hinrunde künstlerisch veranlagt zwischen Genie und Wahnsinn oszillierend, setzt im Abstiegskampf auf Handwerk.

Bei den Spielern bringt das Erleichterung mit sich. Werders Stürmer Sandro Wagner, von vielen bereits abgeschrieben und in den letzten Spielen in bestechender Form, hörte bei seinen zwei Elfmetertoren die Pfiffe der Fans nicht mehr: „Wir sind so fokussiert, was unsere Aufgaben angeht. Auf die Nürnberger Fans habe ich nicht so geachtet.“

Werder-Kapitän Torsten Frings klingt wie jemand, der die Hauptprobleme der Bremer überwunden sieht. „Es war ein langer Weg, bis wir kapiert haben, dass jeder seine Egoismen hinten anstellen muss“, sagte er. Wollte dabei aber er keinesfalls zu euphorisch wirken: „In der Tabelle ist es sehr eng. Wenn man einmal ausrutscht, ist man direkt wieder unten mit dabei.“ KLI