Vom Buchmacher zum Kaffeebaron

Bremens wichtigster Verleger, Horst Temmen, hat eine „Kaffee-Gesellschaft“ gegründet. Seine Mission: „Authentischer Kaffee“ soll die Buchläden infiltrieren. Das neue Geschäftsfeld floriert, zumal auch die Großhändler mitmachen

Von Henning Bleyl

Was haben Kaffee und Bücher gemeinsam? Für beide werden sieben Prozent Mehrwertsteuer fällig. Horst Temmen hat die fiskalische Gleichberechtigung beider Produkte nun konsequent weiterverfolgt und ist in den Kaffeehandel eingestiegen. Der Verleger legt sich damit nicht nur ein zweites Geschäftsfeld zu, sondern auch eine Mission. Sie heißt „authentischer Kaffee“.

Gemeint ist: Kaffee, dessen Bohnen nicht nach Bedarf gemischt werden, sondern von einer einzigen Plantage stammen. Schließlich lassen sich, ähnlich wie beim Wein, Höhenlagen, Wetterbedingungen, Anbaumethoden und Verarbeitungstraditionen herausschmecken. Temmen bezieht seine Bohnen von der in Hamburg ansässigen „InterAmerican Coffee“. Ein relativ kleiner Importeur, der nach eigenem Bekunden großen Wert legt auf die „Tacebility“, also die Rückverfolgbarkeit der Waren – aber nicht mit dem „Bio“- oder „Transfair“-Siegel arbeitet. „Bio bedeutet endlose Behördengänge“, sagt Temmen. „Wir reden lieber von nachhaltigem Anbau, gehandelt zu vernünftigen Preisen.“ Apropos: Ein Pfund espressotauglicher Temmen-Kaffee kostet 2,92 Euro mehr als der tazpresso, ist aber – zugegeben – in interessant gestalteten Metalldosen verpackt.

Temmen ist bundesweit der erste Kaffee-Verleger. Im Branchenreport „Buchmarkt“ wurde die Temmen-Röstung bereits zum „Nonbook des Monats“gekürt. Während der bundesdeutsche Kaffeemarkt insgesamt leicht rückläufig ist, geht es mit dem Spezialitätensegment kräftig bergauf. Derzeit umfasst es zwar nur rund 20.000 der jährlich 500.000 nach Deutschland eingeführten Tonnen Rohkaffee, weist aber zweistellige Zuwachsraten auf.

Auch Temmen steigt nicht gerade klein ein. Mit „Thalia“ hat er einen bundesweit gut vertretenen Vertriebspartner gefunden, die Bremer Buchhandlungen machen ohnehin geschlossen mit. Die erste Charge seiner derzeit fünf Sorten, die unte anderem bei „Münchhausen“ in Brmen geröstet werden, ist schon beinahe ausverkauft. Da gibt es also den schokoladig-süßen Kaffee aus dem äthiopischen Hochland, gewonnen aus gelblichen Bohnen, die fast keine Säure enthalten. Die fast Jadefarbenen aus Sumatra haben durch hohe Luftfeuchtigkeit einen äußerst milden Geschmack, der Kaffee aus Papua-Neuguinea hingegen ist durchaus espressotauglich. Temmen setzt ausschließlich auf die ganze Bohne.

Auch Ignácio Texeira von „InterAmerican“ misstraut der gemahlenen Ware. Da werde unter Umständen so manches mitverarbeitet, was nicht in die Tassen gehöre, meint der Profiverkoster. Sicher: „So ein Teller oder Schuh bringt schon was auf die Waage.“ Bloß schmecke der Kaffee dann entsprechend „erdig bis hin zu astringierend“ – der Mund wird trocken.

Temmens Wandel zum Kaffeebaron kommt nicht völlig überraschend. Bereits vor drei Jahren brachte er ein großes Kaffeebuch heraus, jetzt hat er seinen Kaffeedosen einfach ISBN-Nummern verpasst. Die Distributionswege scheinen sich zu bewähren: Der Kaffee wird über Großhändler gelistet, „nur über Libri kann man leider keine Lebensmittel verkaufen“. Wird die Bohne auf lange Sicht die Bücher als Hauptgeschäftsfeld verdrängen? Temmen winkt ab. Aber um das neue Segment voranzubringen, hat er immerhin eigens eine GmbH gegründet, die ihren Sitz über der Verlagsetage in der Hohenloherstraße hat.

Das energische Schlürfen der Kaffeeverkoster – gleichzeitig mit dem Aroma muss möglich viel Sauerstoff zwecks optimaler sensorischer Verarbeitung aufgenommen werden – beherrscht er hemmungslos, auch das Brechen der „Kruste“ mit dem Probelöffel besitzt bereits eine gewisse Bravour. Der Kaffee, erläutert Geschäftspartner Teixeira, dürfe nur an den Rändern der Zunge säuerlich schmecken: „Wenn‘s im ganzen Mundraum säuert, ist etwas falsch“. Bei Wein würde man von böse gepanscht sprechen.

Temmen hat sich festgelegt: „Wir bleiben sortenrein“, verspricht er, auch den Herstellern würden „ordentliche Preise“ gezahlt. Denn: „Das beste Geschäft ist, wenn alle lachen“, habe ihm sein chinesischer Drucker schon vor Jahrzehnten klar gemacht – als Buchverleger hat Temmen bereits reichhaltige Erfahrung mit globalisierten Markstrukturen.