Eine Bibliothek mit Ideal

Man könnte die Ursprünge der Utopischen Bibliothek in Harriersand ansiedeln – dort nämlich biwakierten im Jahr 1834 250 Amerika-Auswanderer auf der damals noch unbewohnten Weserinsel bei Bremen. Den Wunsch der Ausreisenden, eine deutsche Musterrepublik auf amerikanischem Boden zu gründen, hat den Bremer Theatermacher Oliver Behnecke und den Berliner Filmemacher Peter Roloff 2005 zur Gründung der „Reisenden Sommer-Republik“ inspiriert, die auf einem „Inselkongress“ über Wege zur idealen Demokratie nachdachte.

Eines der dort initiierten Projekte ist die „Utopische Bibliothek“, die die Berliner Ethnologin Andrea Kuserau ehrenamtlich betreut. Auf dem Inselkongress 2005 waren es noch rund 100 Bücher, die sich praktisch und theoretisch mit dem Thema befassten. Mittlerweile sind es etwa doppelt so viele. Den Ausgangsbestand hat Andrea Kuserau selbst zusammengesucht, seitdem sind SpenderInnen aufgerufen, die Bibliothek zu ergänzen. Dabei soll das Spektrum von wissenschaftlichen Publikationen über Romane bis hin zu Comics und Kinderbüchern reichen. Eine Untergruppe bilden die Texte, die sich mit der Auswanderergruppe von Harriersand beschäftigen, dazu hat Andrea Kuserau eigens Kopien aus US-amerikanischen Bibliotheken schicken lassen.

Anregungen von außen sind erwünscht. So umfasst der Katalog nicht nur den tatsächlichen Bestand, sondern auch Texte, die man sich für die Zukunft wünscht. Bislang gibt es sogar unter den Klassikern der utopischen Literatur noch Lücken, seien es Platos Gesetze oder Gullivers Reisen.

Die Utopische Bibliothek ist Präsenz- und Wanderbibliothek in einem. Eine Bücherausleihe ist nicht möglich – und das liegt nicht nur an praktischen Hindernissen, sondern ist auch dem Wunsch geschuldet, dass die Leser und Leserinnen der Bibliothek vor Ort miteinander ins Gespräch kommen. Die bisherigen Erfahrungen sind gemischt: Als die Utopische Bibliothek Station in einem leer stehenden Ladengeschäft im niedersächsischen Brake machte, wagten sich kaum Leute hinein. Nun ist als eine der nächsten Stationen ein Berliner Café angedacht. Bei der letzten Lesung aus der utopischen Biblithek in Bremen ist zumindest eine Bücherspende aufgetaucht: Beim Aufräumen fand sich „Ein Rückblick aus dem Jahr 2000 auf 1887“ von Julian West, das einst von Clara Zetkin ins Deutsche übersetzt wurde. GRÄ

Die Utopische Bibliothek ist bis zum 24. 3. in der Stadtbibliothek West in Bremen-Gröpelingen zu Gast.