Kohlendioxidfabrik für Kiel

Eon und Stadtwerke planen ein Steinkohlekraftwerk, das doppelt so groß ist wie das heutige. Entscheidung bis Ende 2008. Grüne befürchten Scheitern der Klimaschutzbemühungen

VON GERNOT KNÖDLER

In Kiel soll ein Steinkohlekraftwerk gebaut werden, das mehr als doppelt so groß wäre wie das alte. Die Stadtwerke und der Energiekonzern Eon wollen eigenen Angaben zufolge rund eine Milliarde Euro investieren und die heutigen rund 100 Arbeitsplätze am Kraftwerksstandort erhalten. Ab 2015 soll der Neubau das alte Kraftwerk ersetzen. Noch gebe es aber keinen Baubeschluss. „Wir stehen am Anfang“, sagt Clemens Tauber, Pressesprecher bei Eon-Kraftwerke. Der große Neubau dürft in den kommenden knapp zwei Jahren für intensive Debatten sorgen.

Das existierende Gemeinschaftskraftwerk Kiel (GKK) wäre 2015 satte 45 Jahre alt. Es gehört zur Hälfte den Stadtwerken und zur anderen Hälfte Eon. Die Anlage leistet 354 Megawatt – etwa die Hälfte des AKW Brunsbüttel. Das GKK schickt zum einen Strom ins europäische Verbundnetz, zum anderen versorgt es große Teile Kiels mit Fernwärme. Indem die Abwärme der Stromproduktion für die Fernwärme genutzt wird, lässt sich die in der Kohle enthaltene Energie besser ausnutzen.

Der Ersatzbau soll auf eine Leistung von 800 Megawatt kommen. Er müsste jährlich mit 1,8 Millionen Tonnen Steinkohle gefüttert werden. Der Neubau soll acht Prozent mehr Energie aus der Kohle holen können, als sein Vorgänger. Trotzdem birgt der Plan, ein viel Kohlendioxid ausstoßendes und damit sehr klimaschädliches Kraftwerk zu bauen, Konfliktpotential für die in Kiel gemeinsam regierenden Grünen und Christdemokraten. „Grundsätzlich begrüßen wir, dass hier eine Investition von einer Milliarde Euro geplant ist“, sagt Robert Cordes, Fraktionschef der CDU im Kieler Rat. Welcher Energieträger eingesetzt werde, müsse noch „zusammen mit einer breiten Öffentlichkeit“ diskutiert werden. Es gebe noch viele Fragen zu klären, etwa der Wirtschaftlichkeit, der Arbeitsplätze und nicht zuletzt der Umweltverträglichkeit, etwa wie die Kieler Förde durch das Kühlwasser erwärmt werde.

Der Fraktionschef der Grünen, Lutz Oschmann, begrüßte die Stellungnahme der CDU, stellte aber für seine Partei fest: „Wir lehnen den Bau eines großen Kohlekraftwerks ab.“ Stattdessen solle das Kraftwerk mit Biomasse geheizt werden und, falls das nicht reiche, in einer Übergangszeit mit Gas. Am Dienstag wollen die Grünen einen Antrag in ihrer Kreismitgliederversammlung beschließen, der die Stilllegung des GKK als „Chance für eine ökologische Investitionsoffensive begreift“.

Oschmann hält das Kraftwerk für überdimensioniert, wobei er von einer Leistung von 1.100 Megawatt ausgeht. Kiel brauche weder so viel Strom, noch so viel Fernwärme. Um den Strom abtransportieren zu können, müsste eine 380-Kilovolt-Stromleitung von Kiel nach Schacht-Audorf gebaut werden.

In Bremen wird ebenfalls ein 800-Megawatt-Steinkohlekraftwerk geplant. Ein Gutachten des Umweltsenators Ronald-Mike Neumeyer (CDU) ergab, dass ein Gas- und Dampfturbinenkraftwerk ökonomisch und ökologisch günstiger wäre.