el masris briefe aus amerika (5, Schluss)
: „Es wird einen Untersuchungsausschuss geben. Ich fahre also wieder her“

In dieser Woche verhandelte das Berufungsgericht Richmond im US-Bundesstaat Virginia die Klage des Deutschen Khaled El Masri, der 2003 vom US-amerikanischen Geheimdienst nach Afghanistan verschleppt worden war. Die taz dokumentiert die Eindrücke El Masris während seiner einwöchigen Reise in die USA.

Kapitol, Washington, Donnerstag, 9 Uhr – Mit so einer Reaktion habe ich wirklich überhaupt nicht gerechnet. Ich war Gast in den höchsten Gremien. Die Politiker, ob Senatoren oder Kongressabgeordnete, haben sich nach Kräften bemüht, mit mir Kontakt aufzunehmen und sich meine Geschichte anzuhören.

In Deutschland ist dies nicht mal annähernd so gewesen. Heute Morgen, als wir im Kongress waren – zuerst im Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten, dann in dem für Rechtsangelegenheiten –, haben die Mitglieder eine Entschuldigung ausgesprochen, bevor sie mir Fragen stellten. Ich glaube, diese Leute wissen genau, dass ein Fehler passiert ist – und sie bedauern das sehr.

Anschließend wurden wir im Gebäude herumgeführt. Die riesige Kuppel hat mich sehr beeindruckt. Die Leute dort haben sich rührend um mich gekümmert. Ich bin wirklich erstaunt, wie anständig die Amerikaner mit mir umgehen, wie interessiert sie sind und wie schlimm sie finden, was mir widerfahren ist. Ich hatte befürchtet, dass mir in USA Feindschaft entgegengebracht würde. Das ist nicht passiert.

Es wird einen Untersuchungsauschuss hier geben. Man hat auch gefragt, ob ich bereit bin, dort auszusagen. Da habe ich natürlich zugestimmt. Das heißt, ich werde wieder nach Amerika reisen. Beim nächsten Mal brauche ich mir nicht so viele Sorgen zu machen. Jetzt kann mir nicht mehr so viel passieren, nachdem meine Geschichte so bekannt ist.

Die letzte Woche war wirklich unglaublich stressig. Und fast überall war Rauchverbot. Normalerweise rauche ich eine Packung Marlboro am Tag. Hier hat die für vier Tage ausgereicht. Insgesamt fahre aber ich mit einem positiven Gefühl nach Hause. Die Städte, vor allem die Menschen haben mich sehr beeindruckt. Auch die Tatsache, dass es hier so viel Ausländer gibt. Sogar unter den Politikern. Ein paar Senatoren haben sich sogar in arabischer Sprache mit mir unterhalten, obwohl sie doch eigentlich Amerikaner waren. Woher sie das wohl können?

Heute Nachmittag fahren wir mit dem Zug zurück nach New York. Morgen werde ich dort an der Universität zu Gast sein und in der Rechtsfakultät sprechen. Am Nachmittag habe ich hoffentlich ein bisschen Zeit, um für meine Frau und meine Kinder ein paar Geschenke zu kaufen. Am Sonntag treffen wir dann noch die Familie eines Häftlings, der mit mir in Afghanistan war. Anschließend fliegen wir zurück nach Deutschland.

Zusammengefasst von Isabella Kempf