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: Morgen früh nach dem Krieg

Die „FAZ“ übernimmt jetzt doch die reformierte Rechtschreibung

Der Weltuntergang wurde abgesagt. Nichts anderes als diesen predigten jahrelang die Priester der „bewährten Schreibweise“ für den Fall, dass davon abgewichen würde. Im Eifer gegen die Rechtschreibreform war ihnen keine Lappalie zu klein und kein Schwachpunkt der Reform zu winzig, um sie nicht mit verbalen Granaten zu bekämpfen. Mit den FAZ-Redakteuren Heike Schmoll und Hubert Spiegel bliesen die Sprachwissenschaftler Theodor Ickler und Horst Haider Munske, unterstützt von den Gymnasiallehrern Friedrich Denk und Stefan Stirnemann, zum heiligen Krieg gegen die Reformketzer.

Nach sechs Jahren Schlachtgetümmel sagte die FAZ am Samstag den Krieg ab und erklärte, am 1. Januar 2007 die reformierte Rechtschreibung, wie sie seit dem 1. August gilt, zu übernehmen. Doch geschlagen gibt sich das kleine, aber mächtige Häuflein der Aufrechten nicht, denn ihren Slogan „bewährte Schreibweise“ behalten sie bei – auch wenn sie nie deutlich machen konnten, was „bewährt“ bedeutet. Oberste Maxime wird nun „die Einheitlichkeit der Rechtschreibung“ – aus „Verantwortung“ für Kinder, Lehrer, Eltern und überhaupt alle Rechtgläubigen. Der Fetisch der Einheitlichkeit dient dazu, die mit der Rechtschreibreform (und zum Teil gegen deren ursprüngliche Motive!) gewonnene Freiheit der Wahl aus verschiedenen Schreibvarianten zu denunzieren.

Was ist eigentlich schlecht dabei, wenn Schüler wählen können zwischen „morgen früh“ und „morgen Früh“, weil „Früh“ genau so wie „Abend“ oder „Morgen“ als Substantiv verstanden werden kann? Die vermeintlich unnötigste aller Reformen hat nicht nur viel Blödsinn (ss/ß-Regelung) und Willkür (Klein- und Großschreibung) beseitigt, sie wird auch von den meisten Lehrern begrüßt. Das wiegt schwerer als der „Widerstand“ (H. Spiegel) der Schriftsteller gegen die Reform. Es war ein „Widerstand“, der extrem gefährlich und auch heroisch war – und obendrein ziemlich billig.

Die Reformkommission hat Verstiegenheiten der ursprünglichen Reform zurückgenommen oder relativiert. Wer partout bekunden will, dass er zwar Pasta „al dente“ mag, aber italienische Wörter doch lieber schlecht eindeutscht, kann „Spagetti“ schreiben – demnächst vielleicht auch „Rawioli“ öder „Pnöh“. Das sind Geschmacksfragen, und da wundern wir uns schon über manch Abartiges, aber ereifern wie die priesterlichen Pedanten „der bewährten Schreibweise“ wollen wir uns nicht.

Die FAZ dreht also bei auf den Kurs der Reform, aber sie wäre nicht die FAZ, wenn sie nicht einen Vorbehalt anmeldete. Im Zweifelsfall hält man sich an den – gegenüber dem „Duden“ – zurückhaltenderen „Wahrig“. Das mündet direkt in ein apartes Rückzugsfecht, denn „die Ausnahmen“ betreffen fast nur die „Volksetymologie“ – also den Aberglauben. Bis ans Ende der Zeiten will die FAZ die „Quäntchen“ und „Tollpatsche“ genau „numeriert“ und geächtet wissen. Nach dem Krieg ist vor dem Krieg. Der wandert jetzt in die FAZ-Leserbriefspalten. Das wird richtig lustig. Rudolf Walther