Regierung will Hightech am Meer

Maritime Konferenz in Hamburg: Alle großen deutschen Häfen sollen für künftige Riesenschiffe ausgebaut werden, fordert Dagmar Wöhrl. Die CSU-Politikerin ist neue Hafenbeauftragte der Bundesregierung. Sie ignoriert Kritik von Umweltschützern

Aus HamburgSven-Michael Veit

„Deutschland zu einem maritimen Hightech-Standort ausbauen“ – das will Dagmar Wöhrl (CSU). Die parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium ist seit kurzem Hafenbeauftragte der Bundesregierung. Sie sagte der taz: „Die Konkurrenz zwischen den Seehäfen soll nicht behindert, sondern belebt werden.“ Dafür wolle die 52-Jährige auch auf der 5. Nationalen Maritime Konferenz kämpfen, die heute in Hamburg beginnt.

Die Bundesregierung plant ein Milliardenausbauprogramm für die Seehäfen. Es gehe um ein „Gesamtnetzwerk“, sagte Wöhrl. Dieses betreffe die norddeutschen Hafenstädte und den weltgrößten Binnenhafen Duisburg am Rhein. Dazu kämen die Verkehrsströme ins Hinterland und die Zulieferindustrie für den Schiffbau in der ganzen Republik. Wöhrl erteilt damit einer „koordinierten nationalen Hafenstrategie“ eine klare Absage.

Diese hatten Wissenschaftler erst im Sommer gefordert, die im Auftrag des Bundesumweltministeriums ein 205 Seiten langes Gutachten zur Zukunft der deutschen Häfen geschrieben haben. Demnach ist es viel zu teuer, wenn die großen Häfen in Hamburg und Bremen aus- und zugleich der JadeWeserPort im niedersächsischen Wilhelmshaven neu gebaut werden. Wöhrl aber meint: Diese Expertise „missachtet die politische Beschlusslage“.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird den rund 1.000 Gästen der maritimen Konferenz heute die groben Linien für den künftigen Containerverkehr nach Deutschland und Nordeuropa skizzieren. Die „Nutzung mariner Ressourcen“ und die „Entwicklung der Offshore-Windenergie“ vor den Küsten stehen ebenfalls auf der Tagesordnung. Dabei sind auch der Meereskommissar der EU, Joe Borg, fünf Bundesminister und politische Prominenz aus fast allen Bundesländern. Hinzu kommen Spitzenvertreter von Werften, Reedereien, Logistikkonzernen sowie von Banken, Wissenschaft und Gewerkschaften. Bindende Beschlüsse können sie in der Hansestadt zwar nicht fassen. Die „Leitlinien“, auf die sie sich verständigen werden, strukturieren allerdings einen der größten industriepolitischen Komplexe Deutschlands. 2,7 Millionen Arbeitnehmer sind in der Hafenwirtschaft beschäftigt.

Allein vom drittgrößten Hafen Europas, Hamburg, sind die Jobs von mehr als 150.000 Menschen an der Elbe direkt oder indirekt abhängig. Deutschland verfügt inzwischen mit einem Marktanteil von 31 Prozent über die weltgrößte Flotte an Containerschiffen und mit der HSH Nordbank in Kiel über den weltweit größten Schiffsfinanzier. Riesenfrachter für rund 30 Milliarden Euro wollen deutsche Reedereien mittelfristig in Auftrag geben, Bund und Länder planen bis zum Jahr 2010 Investitionen von acht Milliarden Euro zum Aus- und Neubau von Häfen, Vertiefung von Elbe und Weser sowie Verbesserungen von Logistik und Verkehrswegen an Land.

Das alles habe, freute sich der Hamburger Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) bereits gestern Abend bei einem Gala-Empfang für die Konferenzteilnehmer in der Handelskammer der Hansestadt, „eine enorme strategische Bedeutung für die gesamte deutsche Volkswirtschaft“.

Die Naturschutzverbände WWF und BUND kritisieren hingegen in einer eigenen Studie die „Steuerverschwendung für Naturzerstörung“. Hamburg und Bremen ausbauen und Wilhelmshaven neu errichten – mindestens eines dieser Projekte sei überflüssig: „Drei Häfen sind nicht dreimal so viel wert wie ein Hafen.“ Das sieht Wöhrl anders. Der JadeWeserPort sei „Ergänzung und Konkurrenz“ zu Hamburg und Bremen, glaubt sie, „und unverzichtbar“.