Nur noch ein Ziel: „Koch muss weg!“

Die hessische SPD nominiert die kampflustige Parteilinke Andrea Ypsilanti als Spitzenkandidatin für die Wahl 2008

ROTENBURG taz ■ Sie ist eine Frau, die „weiß, was Kampf ist“, weil sie schon immer „an die Spitze“ wollte. Sie ist eine bekennende Linke mit proletarischem Background und ohne skandalöse Vergangenheit. Mit Andrea Ypsilanti (49) haben die Delegierten auf dem Landesparteitag der hessischen SPD das personifizierte Kontrastprogramm zu Ministerpräsident Roland Koch (CDU) zu dessen Herausforderin gekürt.

Mit 175 gegen 165 Stimmen schlug Ypsilanti im zweiten Wahlgang ihren Konkurrenten, den Landtagsfraktionschef Jürgen Walter, aus dem Feld, obwohl dieser die Vorwahlen in den SPD-Bezirken knapp gewonnen hatte. Auf dem Parteitag gab es im ersten Wahlgang ein Patt. Walter ging dann zwar als Verlierer vom Platz; bei der extrem engen Entscheidung aber ohne Gesichts- und Ansehensverlust. Bei den anschließenden Vorstandswahlen wurde der 38-Jährige mit dem besten Ergebnis von 85,9 Prozent zu einem von drei Stellvertretern der Parteichefin Ypsilanti gewählt. Ypsilanti selbst musste sich bei ihrer Wiederwahl mit 78 Prozent bescheiden. Sie war dennoch „rundum glücklich“. Es gilt als ausgemacht, dass Walter noch in diesem Jahr auch den Fraktionsvorsitz an die frisch gekürte Spitzenkandidatin für die Landtagswahlen 2008 abgibt. Die als Tochter eines Opelarbeiters geborene Soziologin müsse ihrem Kontrahenten Koch auch im Parlament an vorderster Stelle Paroli bieten können, hieß es übereinstimmend an den Talktischen im Foyer.

Walter versprach Ypsilanti „volle Unterstützung“. Für die hessische SPD gebe es jetzt nur noch ein Ziel: „Koch muss weg!“ In Hessen müsse wieder eine anständige Sozialpolitik gemacht werden. Und in Anspielung auf den aktuellen Untersuchungsausschuss, der klären soll, ob Koch versucht hat, die Freien Wähler mit Steuergeldgeschenken von der Teilnahme an der nächsten Wahl abzuhalten, meinte Walter, dass bei einem Sieg der SPD auch in Hessen die demokratischen Spielregeln wieder eingehalten würden.

Ypsianti erinnerte in ihrer Rede an die Zeiten, in denen die Bildungs- und Sozialpolitik der SPD in Hessen Vorbild für ganz Deutschland gewesen sei. Da müsse Hessen wieder hin. Und die SPD müsse ihre Rolle als „linke Volkspartei“ wiederfinden. Sie jedenfalls stehe klar auf der Seite der Arbeitnehmer. Ypsilanti will den Mittelstand fördern, die Kommunen entlasten, eine Arbeitsplätze schaffende Energiewende einleiten und vor allem dafür sorgen, dass allen jungen Menschen „alle Bildungswege wieder offen stehen“. Die SPD müsse dabei „klare Kante zeigen“. Die Verwechselbarkeit von Parteien und Politikern führe nur zur Wahlabstinenz oder der Abwanderung von Wählern an die „Ränder“. Alle Frauen im Saal jedenfalls und die Jusos in ihren roten „Y“-T-Shirts standen auf ihren Stühlen und klatschten frenetisch Beifall. „Mit platten, klassenkämpferischen Parolen kann man ein Land wie Hessen nicht regieren“, giftete dagegen CDU-Generalsekretär Michael Boddenberg. In Hessen ist der Landtagswahlkampf eröffnet.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

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