Kinder, Kirche, Kulturkampf
: KOMMENTAR VON STEFAN REINECKE

Dieser Konflikt war absehbar. Brandenburgs CDU-Chef Jörg Schönbohm, Bischof Mixa und auch Teile der sächsischen CDU machen mit Krawall-Argumenten gegen Familienministerin Ursula von der Leyen Stimmung. Es ist ein trüber Aufstand alter Ressentiments. In ihm steckt die Sehnsucht nach einer heilen Welt, in der Frauen sich selbstverständlich um Kinder, Küche, Kirchgang kümmern.

Verwunderlich ist dieser Aufstand nicht – verwunderlich ist eher, dass er so lange hat auf sich warten lassen. Denn von der Leyen betreibt, mit Rückendeckung von Kanzlerin Angela Merkel, eine recht vernünftige Familienpolitik, die wenig Rücksicht auf althergebrachte Dogmen der Union nimmt. So hat sie das – noch von Rot-Grün geplante – Elterngeld eingeführt, das Männer mit sanftem Anreiz dazu bewegen will, sich Kleinkindern zu widmen, während die Gattin arbeiten geht. Doch schon solch zaghafte Gleichberechtigungspolitik empfinden Teile der Union als Verrat.

Ist das vielleicht bloß ein rhetorischer Aufstand der alten Provinz-CDU? Nicht nur. Der Unmut zeigt, wie schwankend und unsicher das Selbstbild der Union ist. Dabei ist klar, dass sie Wahlen nur mit der liberalen, großstädtischen Klientel gewinnen kann. Dafür braucht sie von der Leyen und eine pragmatische Familienpolitik – und keine lebensfremden Familienfundis. Doch seit die Union in der großen Koalition regiert, wird sie von der Angst geplagt, nur sozialdemokratische Politik zu exekutieren. Das stimmt zwar nur selten, doch diese Angst zeigt, dass die Union selbst nicht mehr weiß, ob sie neoliberal oder sozialstaatlich, modern oder konservativ sein will.

Das erinnert an den Zustand der SPD, als Kanzler Gerhard Schröder seinerzeit die Agenda 2010 verordnete. Viele Genossen empfanden das als Verrat am Kernbestand der Partei. Von der Leyens Politik empfindet die Traditionskompanie der Union offenbar ähnlich – als Attacke auf den Kern ihres Konservatismus. Auch wenn Merkel den Kita-Konflikt schnell beenden kann – früher oder später steht der Union ein Kulturkampf bevor. Und ihr wird es dabei nicht besser gehen als der SPD unter Schröder.