„Es ist unvorstellbar“

AUFARBEITUNG Die evangelische Kirche in Bremen diskutiert über ihren Beitrag zum Ersten Weltkrieg

■ 59, ist Pastor und leitet stellvertretend die Kirchenkanzlei der Bremischen Evangelischen Kirche.

taz: Herr Janus, welche Rolle spielte die evangelische Kirche im Ersten Weltkrieg?

Horst Janus: Viele Pastoren stimmten im Ersten Weltkrieg in die Kriegseuphorie ein. Sie haben durch Fürbitten und Gottesdienste die Kriegsstimmung in gewisser Weise gefördert. Um das zu untersuchen, haben wir die Ausstellung „Mit Gott allzeit bereit“ in Auftrag gegeben. Sie soll aber auch zeigen, dass es auch Pastoren gab, die geradezu prophetisch das katastrophale Ende des Krieges vorhersahen und davor gewarnt haben.

Haben Pastoren im Ersten Weltkrieg auch von der Kanzel aus für den Krieg mobilisiert?

Das kann man so sagen, ja. Die Kirche ist eine Institution, die in Krisenzeiten häufig einen Deutungsrahmen darstellt. Das hat sie damals auch getan. Es ist aus meiner Sicht unvorstellbar, dass sich im Ersten Weltkrieg Menschen bekämpft haben, die alle denselben christlichen Bezug haben.

Warum wird die Rolle der evangelischen Kirche im Ersten Weltkrieg denn erst jetzt aufgearbeitet?

Es ist nicht so, als wäre bisher nichts aufgearbeitet worden. Es gab auch früher schon Untersuchungen und Literatur zur Rolle der Kirche in beiden Weltkriegen. Dabei verstellt der Zweite Weltkrieg oft den Blick auf den Ersten. Wegen des 100-jährigen Gedenkens bietet es sich jetzt an, einen neuen Blick auf die Geschehnisse zu ermöglichen. Die meisten nennenswerten Eliten im Kaiserreich waren protestantisch geprägt.

Warum sind zu der Gesprächsrunde nur Pastoren eingeladen, und nicht auch Historiker, die „von außen“ auf die Situation blicken können?

Für den Blick von außen haben wir die Ausstellung in Auftrag gegeben. Sie wurde von der Kulturwissenschaftlerin Andrea Hauser organisiert. Ihre Recherche fand im Auftrag der Kirche statt, aber ohne Wunschergebnis. So ist schon der Titel „Mit Gott allzeit bereit“ schonungslos und treibt einem die Schamesröte ins Gesicht. In der Gesprächsrunde heute Abend wollen wir den damaligen historischen Kontext aufnehmen und nach der politischen Verantwortung der Kirche für den Frieden heute fragen. Da wird es zum Beispiel um den notwendigen Vorrang zivilgesellschaftlicher Entwicklungen vor militärischen Lösungen gehen.Interview: Catiana Krapp

19.30 Uhr, Kulturkirche St. Stephani