In Netanjahus Kabinett macht sich Frust und Unmut breit

ISRAEL Drei Männer haben quasi im Alleingang die Entscheidungen im Gazakrieg getroffen

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Die Theorie von einem siegreich beendeten Krieg will Israels Öffentlichkeit zwar nicht recht glauben. Dennoch stehen die drei Männer, die die Fäden der Offensive „Schützende Klippe“ (hebr. „Zuk Eitan“) in ihren Händen halten, derzeit sehr weit oben auf der öffentlichen Sympathieskala. Einer jüngst in der Tageszeitung Ha’aretz veröffentlichten Umfrage zufolge beurteilen 77 Prozent der Bürger die Leistungen ihres Regierungschefs Benjamin Netanjahu während des Krieges als „gut“ bis „sehr gut“. Verteidigungsminister Mosche Jaalon landet mit 76 Prozent dicht unter ihm, und Generalstabschef Benni Ganz genießt gar das Vertrauen von über 80 Prozent der Israelis. Weder eine Untersuchungskommission steht an noch gar der Ruf nach personellen Veränderungen an Israels Führungsspitze, wie nach dem Libanonkrieg vor acht Jahren, der dem damaligen Verteidigungsminister und dem Generalstabschef den Posten kostete. Deutlich weniger zufrieden mit dem Dreierbund, der große Entscheidungen gern autonom trifft, sind hingegen die Minister.

Vor vier Wochen musste Danni Danon seinen Posten als Vizeverteidigungsminister räumen. Danon zahlte damit den Preis für seine vorlaute Kritik an dem seiner Meinung nach zu sanften Vorgehen Israels gegen die Hamas. Anlass für den Protest gab die von Israel einseitig erklärte Feuerpause. Danons Kollegen im Kabinett lernten rasch die Lektion und hielten sich fortan mit Kritik zurück. Dennoch brodelt es vor allem im rechten Koalitionslager, wo schon zu Beginn der militärischen Operation der Wunsch nach einer Zerschlagung der Hamas laut wurde, auch um den Preis einer temporären Wiederbesetzung des Gazastreifens. Anstelle der Minister melden sich nun gleichgesinnte Parlamentarier zu Wort. Seev Elkin vom Likud warnte davor, die Bedingungen der Hamas zu erfüllen. „Es wäre Erpressung, wenn sie auf uns schießt und dafür bekommt, was sie will.“ Israel müsse im Gegenteil schärfer gegen sie vorgehen. „Wenn die Hamas vor dem Zusammenbruch steht, wird sie schon um eine Waffenruhe betteln.“

„Es mag kaum zu glauben sein“, schreibt die Ha’aretz, „aber Netanjahu und Jaalon repräsentieren die Position der [moderaten] Tauben nicht nur im Sicherheitskabinett, sondern in der gesamten Regierung“. Netanjahu zögerte anfangs mit der Bodenoffensive, und am Ende zog er die Truppen zurück, noch bevor die Hamas die Raketenangriffe einstellte. Einzig mit dem Generalstabschef beraten sich die beiden Spitzenpolitiker. Barak Ravid, politischer Korrespondent von Ha’aretz, berichtet am Sonntag, wie das Kabinett systematisch von Entscheidungsprozessen ausgeschlossen wird. „Wir wissen so gut wie nichts über die Verhandlungen, bei denen Ägypten vermittelt“, zitiert Ravid einen Minister. Einwände würden mit dem Argument abgetan, man habe dem ägyptischen Vermittler bereits zugesagt. Jede Veränderung könne zu einer politischen Krise führen.

Solange eine klare Regelung für den Gazastreifen aussteht und die Kämpfe jeden Moment neu aufflammen könnten, wird die Kritik innerhalb Netanjahus Koalition gedämpft bleiben. Sollte es Ägypten jedoch gelingen, die Konfliktparteien zu einer Einigung zu bewegen, dann wird Israel weitere Zugeständnisse machen müssen, die den rechtsnationalen Politikern einiges Unbehagen verursachen werden. Die Amnestie der Häftlinge, die schon im März im Rahmen der Friedensgespräche zwischen Israel und der PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) auf freien Fuß hätten kommen sollen, gehört dazu und die Wiederaufnahme neuer Friedensverhandlungen ebenso. Den Entwicklungen in Gaza folgend, unterstützt wieder eine Mehrheit der Israelis den Dialog mit der PLO. Jüngere Umfragen zeigen, dass auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas unter Israels Bürgern an Popularität gewinnt. „Noch vor zwei Monaten war er der Teufel“, schreibt Ha’aretz. Nun habe ihn die Hamas in dieser Rolle abgelöst.