Gummersbachs erfolgreiche Genießer

Beflügelt von der Atmosphäre in Valladolid erzielt der VfL Gummersbach im Viertelfinal-Hinspiel der Handball-Champions League ein 36:36. Das Rückspiel am Sonntag in der Kölnarena soll ähnlich stimmungsvoll werden

VALLADOLID taz ■ Mehr als eine halbe Stunde nach dem Schlusspfiff war bereits vergangen, doch in der „Polideportivo Huerta del Rey“ in Valladolid erklangen immer noch die lautstarken Gesänge der einheimischen Handballfans. Ein Nachklang, den Gudjon Valur Sigurdsson als würdig empfand. „Die Kulisse war einmalig“, freute sich der isländische Kapitän des VfL Gummersbach immer noch über die dichte Atmosphäre in der engen Halle, in der 3.600 Zuschauer einen Heidenlärm veranstaltet hatte. „Schon beim Einlaufen habe ich meinen Kollegen gesagt: Genießt einfach dieses Spiel und diese Atmosphäre“, sagte Sigurdsson.

Und tatsächlich ließen sich die Profis des Rekordmeisters nicht aus der Ruhe bringen durch das 60minütige Getöse und Lärmen, sondern betrachteten es offenbar als Stimulans. Am Ende jedenfalls stand nach guter Leistung ein 36:36 (16:19)-Remis beim Tabellenfünften der spanischen Liga. Damit verschaffte sich der Rekordmeister, den 70 Fans aus dem Oberbergischen begleiteten, eine gute Ausgangsposition für das Rückspiel im Viertelfinale der Champions League. „Jetzt müssen wir auch das Halbfinale erreichen“, forderte Sigurdsson. Valladolids Trainer Juan Carlos Pastor sieht freilich weiterhin gute Chancen für seine Mannschaft: „Wie Gummersbach, spielen wir auswärts genauso stark wie zu Hause.“

VfL-Coach Alfred Gislason freute sich über „ein sehr gutes Ergebnis“. Der 47-jährige Isländer, der bereits 2002 die Königsklasse mit dem SC Magdeburg gewinnen konnte, hatte die teils eklatanten Mängel in der Defensive freilich nicht übersehen. Speziell der bullige Mittelmann Rodriguez hatte das Zentrum der 6:0-Abwehrformation um Ilic und Jakobsson in herbe Probleme gestürzt. „Das war in der ersten Halbzeit keine Deckung, das war nur Show“, so Gislason.

„Wir haben teilweise zu naiv gedeckt“, übte auch der erneut überragende VfL-Regisseur Daniel Narcisse für diesen Mannschaftsteil Selbstkritik, da die beiden gegnerischen Halbspieler Alen Muratovic und Eric Gull (insgesamt 17 Tore) teils warfen, wie sie wollten – auch aus diesen Gründen waren die beiden VfL-Torleute Nandor Fazekas und Goran Stojanovic kaum ein Faktor im Gummersbacher Spiel.

„Wenn die Rückraumschützen aus sieben Metern über die Deckung werfen können, wird es für uns schwierig“, hatte Fazekas eine plausible Erklärung dafür, weshalb der VfL einen beruhigenden 7:4-Vorsprung innerhalb von Minuten verspielt hatte. Die Reaktion auf den 16:19-Rückstand zur Pause jedoch sprach den für den Kampfgeist der Mannschaft: Innerhalb von nur drei Minuten hatten Gunnarsson, Zrnic und Sigurdsson ausgeglichen.

Auf der Gummersbacher Seite überraschte der Neuzugang Aleksander Stanojevic, der Alvanos auf der halbrechten Position mehr als nur ergänzte und drei wichtige Tore warf. „Er hat sehr gute Dinge gemacht und in schwierigen Situationen die Ruhe bewahrt“, kassierte der Serbe ein Sonderlob seines sonst zurückhaltenden Trainers.

In der Schlussminute war sogar wieder die Siegeschance da, als Alavanos Sigurdsson freispielte, doch die Schiedsrichter, die Gummersbach insgesamt neun Zeitstrafen aufbrummten und den isländischen Abwehrchef Sverre Jakobsson mit Rot vom Platz gestellt hatten (41.), pfiffen hier seltsamerweise Stürmerfoul. Aber das war nicht mehr als ein Schönheitsfehler, insgesamt hatte der Ausflug nach Zentralspanien insgesamt Mut gemacht für das Rückspiel am Sonntag in der Kölnarena. Zunächst aber konzentrieren sich die Gummersbacher auf die Spitzenpartie am Mittwoch gegen den Tabellenführer Flensburg-Handewitt, die ebenfalls in der größten Veranstaltungshalle Europas stattfindet. ERIK EGGERS