Ärzte im Ausstand

BERLIN ap/epd/dpa ■ Zehntausende Ärzte haben gestern aus Protest gegen die Gesundheitsreform ihre Praxen geschlossen gehalten. In einer historisch einmaligen Allianz forderten zudem auch Zahnärzte, Apotheker, Kliniken und andere Gesundheitsverbände den Stopp des Gesetzes. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt wies dies zurück und warf den Verbänden vor, die Patienten „in Geiselhaft“ zu nehmen.

Am bundesweiten Protesttag waren nach Angaben der Organisatoren mehr als 40 Verbände mit Hunderten unterschiedlicher Aktionen beteiligt. Bundesweit sei ein Drittel der mehr als 100.000 Arztpraxen geschlossen geblieben, in Nordrhein-Westfalen sogar die Hälfte, erklärte die Bundesärztekammer für die Aktion „Patient in Not“. Fast alle der gut 2.000 Kliniken hätten sich mit Plakataktionen beteiligt, an rund 300 Krankenhäusern habe es zudem Kundgebungen gegeben. In Hannover, Kiel, Bremen, Bielefeld, Duisburg, Gelsenkirchen, Essen, Düsseldorf, Leverkusen, Potsdam, Cottbus und Frankfurt/Oder fänden Diskussionen oder Kundgebungen statt.

Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe bekräftigte zusammen mit Vertretern der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, des Marburger Bunds und der Deutschen Krankenhausgesellschaft die Befürchtung, dass die Reform die Versorgung der Patienten massiv verschlechtern werde. Wegen Geldmangels sei die Schließung von Praxen, Apotheken und Kliniken abzusehen und damit lange Wartezeiten und lange Wege. „Die Kranken sind die Verlierer dieser Reform.“

Die Ärzte kritisieren vor allem, dass die Begrenzung ihres Honorartopfs nicht aufgehoben werden soll. Krankenhausverband und Apotheker regen sich darüber auf, dass sie jeweils bis zu 500 Millionen Euro Sparbeitrag erbringen sollen.

Gesundheitsministerin Schmidt warf den Verbänden vor, keine eigenen Vorschläge zu machen, sondern nur mehr Geld für sich zu fordern und die Reform verhindern zu wollen. Die Verbände hätten keine einheitliche Linie, sagte die SPD-Politikerin im Deutschlandfunk. Schmidt zeigte sich zwar bereit zu Gesprächen mit Ärzten über bessere Honorare, allerdings nur, wenn an anderer Stelle im Gesundheitssystem gespart werde.

Wenn Patienten wegen der Aktion nicht „wohnortnah“ versorgt werden könnten, sei das eine Pflichtverletzung, die von der Selbstverwaltung sanktioniert werden müsse, sagte Schmidts Sprecher Klaus Vater. Eine bloße Notfallversorgung reiche nicht aus. Ein Recht zum Widerstand oder zum Boykott stehe den Kassenärzten wegen der geplanten Honorarreform nicht zu und könne von der Regierung auch nicht hingenommen werden. Vater kündigte an, die Regierung werde nach der Verabschiedung der Gesundheitsreform „mit Argusaugen darüber wachen“, dass Ärzte, Kassen und Kliniken das Gesetz umsetzen.

Die Unionsfraktion im Bundestag erklärte, bei der Gesundheitsreform stünden nicht Einzelinteressen im Mittelpunkt, sondern die Versicherten und PatientInnen. Mit den Verbänden sei in jeder Phase der Reform gesprochen worden, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin Annette Widmann-Mauz. Sie stellte zwar Änderungen am Reformgesetz in Aussicht, aber nur in Details.

Die FDP unterstützt den Ärzte-Protest. Der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion, Daniel Bahr, bezeichnete die Aktion als „Notwehr“. Arztpraxen hätten durch die Reform Verluste von bis zu 40.000 Euro pro Jahr zu erwarten. Trotz ihrer eigenen Zielvorgabe schätzen die Gesundheitsverbände die Chancen auf einen Stopp der Reform gering ein. MB-Chef Frank-Ulrich Montgomery sagte: „Das Gesetz wird kommen.“ Doch wollen die Beteiligten versuchen, die Umsetzung des Gesetzes zu blockieren. „Wir werden alles dafür tun, dass es keine Wirkung entfaltet“, sagte der Präsident der deutschen Krankenhausgesellschaft, Rudolf Kösters.