Der Japanexperte

KATASTROPHE Wie ein Professor aus Hannover vom Radiosender ffn zu dem Unglück in Japan befragt wurde und unter Mithilfe des Moderators danebenlangte. Ein Lehrstück aus der Medienbranche

Der Professor kann sich „nicht so daran erinnern“, was er im Studio gesagt hat

Es war einige Tage nach der Katastrophe in Japan, die Berichterstattung lief auf Hochtouren, als Dirk Weitze aus Hannover sein Autoradio einschaltete. In der „Morgenshow“ von Radio ffn erklärte ein Professor von der Uni Hannover, dass Japan „ein riesengroßes Land“ sei, das sich über 3.000 Kilometer erstrecke, was der Strecke von Helsinki nach Kairo entspreche.

Das Land bestehe aus über 3.000 Inseln und habe eine sehr große Strand- und Küstenlänge, „und wir sehen nur die immergleichen Bilder aus dieser schrecklichen Katastrophenregion“, so der Professor, der als „Geowissenschaftler und Japanexperte“ vorgestellt wurde. Es gebe aber viele Inseln und Landschaften in Japan, „wo eigentlich gar nichts passiert“ sei.

Ob man sagen könne, dass Japan im Verhältnis glimpflich davongekommen sei, erkundigte sich der Moderator, worauf der Professor sagte, das dürfe man so sagen. Japan habe eine Bevölkerung von 130 Millionen Menschen, etwa eine Million lebe in der Unglücksprovinz. Dagegen sei „ein Menschenopfer von 10.000 oder 15.000 Menschen, die zu beklagen sind, verhältnismäßig wenig“ .

Noch am selben Vormittag schrieb Weitze an den Hörerservice des Senders, dass er die Aussagen des Wissenschaftlers als „inaktzeptabel und menschenverachtend“ empfinde. Der Hörerservice antwortete, dem Sender liege es fern, die Katastrophe herunterzuspielen. Man habe lediglich auf Fakten hinweisen wollen, „damit sich unsere Hörer einen eigenen Eindruck machen können“.

Eine weitere Nachfrage brachte Weitze die Antwort ein, in der Sendung sei es darum gegangen, die Zahlen in Relation zu setzen, „nicht mehr und nicht weniger‘“. Er könne sich ja direkt an den Professor wenden, wenn er mit dessen Äußerungen nicht einverstanden sei. Der Name, Weitze hatte ihn nicht mitbekommen, sei Richard Pott.

Laut Homepage der Uni Hannover ist Prof. Dr. Richard Pott „Geschäftsführender Leiter des Instituts für Geobotanik“ und beschäftigt sich vor allem mit norddeutscher Vegetation. In der langen Liste seiner Forschungsprojekte gibt es auf den ersten Blick keinen Bezug zu Japan. Allerdings findet sich unter der Rubrik „Lehrtätigkeiten“ der Hinweis, dass Pott jedes Jahr zu einer „Großen Geobotanischen Exkursion“ nach Japan reist.

Professor Pott habe die Katastrophe keinesfalls kleinreden wollen, verteidigt ffn-Programmdirektorin Ina Tenz den Studiogast, den sie aus dem Rotary-Club kennt. Pott habe sich absichtlich nicht zur Radioaktivität geäußert, der dem Tsunami folgende GAU in den AKWs sei nicht sein Thema gewesen. Der Professor habe lediglich „tektonische Vorgänge aus wissenschaftlicher Sicht“ kommentiert.

Ein Anruf im Büro des Professors führt zu der Auskunft, er sei in wenigen Minuten zu sprechen. Mit den Vorwürfen konfrontiert, ist Pott dann allerdings kurz angebunden. Er könne sich „nicht so daran erinnern“, was er im Studio gesagt habe. Und über Japan reden wolle er auch nicht, er sei in einer Besprechung. Nur so viel: „Ich rate Ihnen, hängen Sie das tiefer.“ DANIEL WIESE