AMERICAN PIE
: Run the world, girls

BASEBALL Die 13-jährige Mo’Ne Davis ist als einziges Mädchen auf dem Feld der Star bei den Little League World Series in Pennsylvania

Am Donnerstag ist es wieder so weit. Dann werden 12-Jährige zu Fernsehstars, Väter laufen mediengerecht Amok und die Baseball-Welt rotiert um das kleine Städtchen Williamsport in Pennsylvania. Wie jedes Jahr im August findet wieder die Little League World Series statt. Elf Tage lang werden 16 Teams aus der ganzen Welt um den Titel spielen. 40.000 werden im Stadion sitzen und Millionen vor den TV-Geräten. Noch ist nicht sicher, ob die US-amerikanischen Teams die Dominanz der in den letzten Jahren meist siegreichen japanischen Nachwuchstalente brechen können. Fest steht aber schon, wer der Star des diesjährigen Turniers, das es längst mit anderen Großereignissen im US-amerikanischen Sportkalender aufnehmen kann, werden wird: Mo’Ne Davis ist 13 Jahre alt und 1,63 Meter groß, wiegt 47 Kilo, spielt als Pitcher für die Taney Dragons aus Philadelphia und ist das einzige Mädchen im Feld.

Dass die Jungs nicht immer völlig unter sich sind auf diesem, dem höchsten Niveau dieser Altersklasse der 11- bis 13-Jährigen, das allein ist noch keine Sensation. Davis ist bereits das 17. Mädchen bei der World Series, die seit 68 Jahren ausgetragen wird. Aber noch nie zuvor war ein Team in Williamsport angetreten, dessen bester Spieler eine Spielerin war. Am vergangenen Sonntag stand Davis im Finale der World-Series-Qualifikation das komplette Spiel gegen eine Mannschaft aus Delaware auf dem Wurfhügel und ließ beim 8:0-Erfolg keinen Punkt des Gegners zu. Ihre Würfe waren bis zu 112 Stundenkilometer schnell, dazu strahlte sie eine – angesichts der Wichtigkeit des Spiels – unheimliche Ruhe aus.

Während Davis nach dem Sieg kaum mehr als ein leichtes Lächeln übers Gesicht huschte, drehten so manche im Internet durch. Die Philadelphia Flyers, die Eishockey-Mannschaft aus der Stadt, aus der auch die Taney Dragons stammen, twitterten: „Philly steht hinter Dir!“ Erwachsene Männer klagten: „Tatsächlich kann ich NICHT werfen wie ein Mädchen.“ Fans, die ungefähr im gleichen Alter wie die lange Dreadlocks tragende Davis sind, fragen sich „wie man so gut sein und trotzdem so perfekt gepflegte Haare haben kann“. Und David Price, einer der besten Pitcher in der Major League Baseball (MLB), meint: „Mo’Ne Davis ist ein Hammer!“

So amerikanisch wie Hot Dogs

Die Gelobte, die neben Baseball auch recht erfolgreich Basketball und Fußball spielt, findet die Hysterie altersgemäß ziemlich „verrückt und unglaublich“. Tatsächlich ist es noch gar nicht so lange her, dass knapp zwei Dutzend Mädchen aus den gesamten Vereinigten Staaten Klage dagegen einreichten, dass sie nicht Little League Baseball spielen durften. Diese Pionierinnen mussten sich mit Anfeindungen und Drohungen auseinander setzen, bis ein Gericht 1974 die mittelalterlichen Regeln der Funktionäre kippte: „Die Institution Little League ist so amerikanisch wie Hot Dogs und Apfelkuchen“, hieß es in der Urteilsbegründung, „es gibt keinen Grund, warum dieser Teil der Americana Mädchen vorenthalten werden sollte.“

Genau 40 Jahre später wird im Stadion als Erkennungsmelodie „Run the World (Girls)“ von Beyonce aufgelegt, wenn Mo’Ne Davis zum Wurfhügel schreitet. Aber im Internet finden sich auch kritische Stimmen. Vor allem von Männern, die meinen, Davis und andere sportlich qualifizierte Mädchen nehmen Jungen einen Platz im Team weg. „Egal, wer du bist, du solltest tun dürfen, was du willst, und erreichen können, wovon du träumst“, sagt Davis. Sie hat aber noch viel größere Pläne und will bei den Erwachsenen zur Pionierin werden: „Ich werde die erste Frau sein“, hat Mo’Ne Davis prophezeit, „die in der MLB oder in der NBA spielt.“

THOMAS WINKLER