ULRIKE HERRMANN ZUM PROBLEM NIEDRIGZINS
: Der Preis des Geldes

Bei einem Überangebot fällt der Preis ins Bodenlose. Das gilt auch für Geld

Die Sparer stöhnen, denn es lohnt sich nicht mehr, Geld auf einem Konto zu parken. Die Zinsen sind zu mickrig. Aber wo es Verlierer gibt, sind die Gewinner meist nicht weit. Diesmal ist es der deutsche Staat, der sich fast umsonst verschulden kann. Die Bundesbank hat jetzt ausgerechnet, dass der Finanzminister seit 2007 etwa 120 Milliarden Euro an Zinskosten gespart hat. Der Staatshaushalt saniert sich von selbst.

Dies freut die schwäbische Hausfrau, die schon immer mit Misstrauen verfolgt hat, wie die Staatsschulden wachsen. Aber es ist ein Alarmsignal, dass die Zinsen so niedrig liegen. Zwei gigantische Finanzströme verzerren den Preis des Geldes.

Erstens: Aus allen Erdteilen drängt Geld nach Deutschland, das als sicher gilt. Dahinter stecken nicht nur Griechen oder Spanier, auch Australier versuchen, Ersparnisse zu „diversifizieren“ und hier anzulegen.

Dieses ausländische Finanzvolumen trifft auf einen zweiten, innerdeutschen Trend: Es wird sowieso zu viel gespart. Die deutschen Unternehmen machen weit mehr Gewinne als sie investieren – und auch die reichen Privathaushalte wissen nicht, wohin mit ihrem Vermögen.

Deutschland ertrinkt in Geld, aber der Effekt ist paradox: Alle wollen ihr Vermögen retten, stattdessen wird es vernichtet. Denn die Zinsen liegen meist unter der Inflationsrate, was nur logisch ist. Bei einem Überangebot fällt der Preis ins Bodenlose, und dies gilt auch fürs Geld.

Die Zinsen werden erst wieder steigen, wenn das Geld auf den Konten knapper wird. Die Lösung ist eigentlich simpel: Unternehmen und Vermögende werden höher besteuert, und mit diesen Einnahmen könnte der Staat die schwächelnde Konjunktur ankurbeln. Für die Reichen wäre es kein schlechtes Geschäft, denn ein Teil ihres Vermögens ist fiktiv, solange die Zinsen dümpeln. Wer hätte das gedacht: Steuern machen reicher.

Wirtschaft + Umwelt SEITE 8