leserinnenbriefe
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Arroganz und Überheblichkeit

■ betr.: „Ich schalte alle alten Meiler ab“, taz vom 19. 3. 11

Die Überschrift spiegelt sehr gut die Arroganz und Überheblichkeit von Herrn Kretschmann wider, die ich so von ihm ehrlich gesagt gar nicht erwartet hätte. Wäre ich über meine Wahl nächsten Sonntag in irgendeinem Zweifel gewesen, ich wäre durch dieses Interview eines Besseren belehrt worden.

Kretschmann reklamiert frech bildungspolitische Ziele und Forderungen für seine Partei, die von den Sozialdemokraten schon verfochten wurden, als die Grünen noch mit Sonnenblümchen am Hut durch die Wiesen hüpften: „In der Bildungspolitik ist die SPD ganz auf unseren Kurs eingeschwenkt“, da ist es nun wirklich schwer, ihn noch erst zu nehmen. Wenn er der SPD bei einer möglichen Schwarz-Rot-Koalition (die sich wohl wenige wünschen würden) eine Zukunft um die 10 Prozent prophezeit, möchte ich wissen, wo er die Seinen angesichts seines mehr als peinlichen Rumlavierens angesichts der Koalitionsfrage sieht – im Nirvana?

ESTHER ROTHENHÖFER, Wiesloch

Oberschicht schwingt Reden

■ betr.: „Katastrophe in Japan“, taz Schwerpunkt vom 19. 3. 11

Was mir als kleine Randnotiz bei dem Unglück von Japan wieder auffällt ist die Tatsache, wie sich die politische und gesellschaftliche Oberschicht leichttut, an den Mut der Feuerwehrleute und Ingenieure zu appellieren und selbst nicht viel mehr tut, als Reden zu schwingen. Was für ein Zeichen wäre es, wenn der japanische Kaiser, hohe Regierungsmitglieder oder die Manager der Atomkraftwerke selbst in das verstrahlte Gebiet gehen würden, um diese mutigen Menschen moralisch zu unterstützen und ein Zeichen zu setzen. Diesen Mut, der auch bei uns so hochgepriesenen bürgerlichen Oberschicht, sucht man mal wieder vergebens und wird nur vom Volk allzu gern eingefordert! MARKUS MEISTER, Schauenburg

Merkel-Regierung wird zerbrechen

■ betr.: Nicht sattelfest, nicht wasserdicht“, taz vom 17. 3. 11

So wird es kommen: Nach kurzer Schamfrist werden Energiekonzerne und Lobbyisten juristisch und mit allen anderen Mitteln gegen das auf wackligen Füßen stehende Abschalten von sieben ihrer maroden Goldesel zu Felde ziehen. Schwarz-Gelb gerät dann zwischen Millionen Kernkraftgegner, die ihre Rolle als Stimmvieh verweigern, und die Strommafia.

An dem Konflikt wird die Merkel-Regierung zerbrechen. Höhere Gerechtigkeit? Nein. Zwingende Konsequenz ihres verlogenen Deals zur Laufzeitverlängerung!

WOLFGANG FUCHS, Castrop-Rauxel

Zwei Punkte irritieren

■ betr.: „Dranbleiben“, taz vom 21. 3. 11

Bei dem ansonsten guten Bericht irritieren mich zwei Punkte: Zum einen das Betonen, dass gleichzeitig auch gegen Atomkraft demonstriert wurde – immer schon waren viele der K21-BefürworterInnen auch GegnerInnen auf jeden Fall der Verlängerung der Atomkraft: Im Herbst z. B. waren viele der gegen die Verlängerung Protestierenden in Stuttgart auch K21-BefürworterInnen, wie sich unschwer an den Buttons erkennen ließ, und am 18. 10., auf einer Samstagsdemo, waren extra Traktoren aus Gorleben gekommen, um unsere Verbundenheit zu zeigen. Wer den einen Unsinn nicht möchte, wehrt sich oft auch gegen anderen Unsinn.

Zum anderen die „Reduzierung“ der Demonstrierenden auf AnhängerInnen der Grünen. Wir waren von Anfang an bunt gemischt. Und im Faktencheck saß ja auch z. B. Gangolf Stocker, Stadtrat im Stuttgarter Gemeinderat, zwar Unabhängiger, aber doch mit den Linken in einem Bündnis, der auch von Anfang an für ein besseres Projekt als S21 gekämpft hat. HANNA MAIER-GSCHWEND, Aichwald

Demokratie geht ohne Populismus

■ betr.: „Der Populismus der Mitte“, taz vom 21. 3. 11

Populismus: opportunistische, oft demagogische Politik, die darauf gerichtet ist, durch Überzeichnen der politischen Lage die Zustimmung der Massen (im Hinblick auf Wahlen) zu gewinnen („Brockhaus Enzyklopädie“, 19. Auflage). Der Kommentar setzt Populismus gleich mit Demokratie bzw. beschreibt Populismus als positive Ausdrucksform von Demokratie. Im Analogschluss wäre Prostitution eine positive Ausdrucksform des Fortpflanzungstriebes.

Parteien und Politiker haben laut Grundgesetz nicht den Auftrag, Wahlen zu gewinnen, sondern bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Dies bedeutet, dass Politiker dazu verpflichtet sind, eine eigene Position aufzubauen und diese den Wählern zu präsentieren. Ein Populist dagegen fragt sich zunächst, was die Wähler gerne hören würden und konstruiert um solcherart zusammengetragene Versatzstücke eine „Position“, die natürlich weder innerer noch äußerer Logik folgt.

Politiker tragen eine große Verantwortung, und zwar eine ungleich größere als ihre Wähler. Indem ein Politiker den Gewinn von Wahlen zur einzigen Grundlage seines Handelns erklärt, entledigt er sich dieser Verantwortung und schiebt sie den Wählern zu. Damit verletzt er seinen verfassungsmäßigen Auftrag.

Populismus ist nicht etwa notwendiger Bestandteil einer gesunden Demokratie, sondern ein gefährliches Anzeichen von deren Degeneration. ERIC BRÜNNER, Karlsruhe