berliner szenen Blaulicht am Blücherplatz

’ne Bombe halt

Ich dachte mir nichts, als ich vom Mehringdamm kommend auf den Blücherplatz zuschritt. Ich hielt den Kopf gesenkt und trottete wie ein braves Brauereipferd meinem Ziel entgegen, bis ich merkte, dass sich vor mir etwas veränderte. Leute, die einige Meter vor mir schritten, fielen aus ihrer Schrittfolge heraus, strebten nicht mehr, stockten. Ich hob den Kopf und den Blick.

Die Volksbank an der Ecke war mit Plastikbändern abgesperrt, großräumig, Polizisten wachten an allen Ecken darüber, dass niemand das Band berührte oder gar darunter hindurchschlüpfte. Die Polizisten sahen gelangweilt aus und wandten der Bank den Rücken zu. Ein Überfall, dachte ich, fernsehverblödet, und dann: Warum beobachten die Polizisten die Bank nicht? Wo sind die Scharfschützen? Wo ist die nervige Reporterin, wo der Sergeant, der uns herumschubst?

Immerhin kam ein Wagen mit Blaulicht angerast, doch auch ihm entsprang kein Kommando mit Schwerbewaffneten. Nur zwei ruhige Männer stiegen aus, gemächlich, weil wichtig. Und wir, die wir zu Zuschauern geworden waren, mussten nicht fortgejagt werden, wir glotzten noch kurz, dann setzten wir uns wieder in Trab, der U-Bahn zu.

Vor der Domäne unterhielten sich zwei, die den Vorgang interessanter fanden, eine kleine Abwechslung. Doch sie unterhielten sich nicht besonders angeregt. „Und nu?“, hörte ich den einen den anderen fragen. Der antwortete: „Na ja, is vielleicht ’ne Bombe in dem Rucksack, da müssen’se Spezialtruppen ranlassen.“ Ich hielt noch mal inne und wandte mich um. Zwei gelangweilte Polizisten, ein Absperrband, zwei Spezialisten, die gerade unter dem Absperrband durchtauchten. Eine Bombe, halt. Nichts weiter.

JÖRG SUNDERMEIER