Eltern zahlen weiter

VON CHRISTIAN FÜLLER

Nur Franz Müntefering war nicht da. Außer dem Vizekanzler ließ die SPD gestern ihr komplettes Führungspersonal samt Kitaexpertinnen auflaufen. So wollte sie nach wochenlanger Diskussion die Lufthoheit über den Kleinkindergärten wieder zurückgewinnen. „Brauchen Sie tatsächlich fünf Ihrer besten Leute, um Ursula von der Leyen zu kontern“, fragte ein Journalist den SPD-Vorsitzenden Kurt Beck. Woraufhin der brummte, die Union brächte niemals fünf Leute zusammen, die sich öffentlich hinter den Kitaausbau der Familienministerin stellen würden.

Dann war Schluss mit lustig. Die SPD stellte ein Konzept zur Finanzierung von 500.000 Plätzen zur Kleinkindbetreuung vor, das nur zwei Zahlmeister kennt: die Eltern und die Bundesländer. Insgesamt will die SPD 6,35 Milliarden Euro ausgeben, um bis 2010 jedem Einjährigen einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz zu geben. Die Kosten dafür sollen die Eltern mit einem Anteil von 4,7 Milliarden Euro schultern – unter anderem durch das Einschränken von Kindergeld und Ehegattensplitting (Text unten). Den Rest sollen die Bundesländer übernehmen. Die Finanzierung erklärte Peer Steinbrück (SPD) so: „Es werden bereits jetzt 185 Milliarden Euro für Familienleistungen ausgegeben. Sie werden von mir als Finanzminister doch nicht erwarten, dass ich immer noch was oben drauflege.“

Die Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann, Mitglied der Kitakommission der SPD, sagte: „Es freut mich, dass wir nun endlich auch auf diesem Gebiet ein modernes Land werden. Bislang hat für die Eltern keine Wahlfreiheit bestanden. Wir haben zum Beispiel in Bonn für 17 Prozent der unter Dreijährigen Kitaplätze – dennoch gibt es lange Wartelisten junger Eltern.“

Die CDU reagierte erwartungsgemäß weniger euphorisch. Hessens Ministerpräsident Roland Koch warf der SPD vor, eine „Zwangsbeglückung“ mit Betreuungsplätzen anzustreben. „Die Sozialisten sind schon wieder dabei, da so eine Zwangsideologie-Kiste draus zu machen.“ Niedersachsens Regierungschef Christian Wulff forderte: „Wenn man etwas zusätzlich tun will, muss man zusätzliches Geld aufwenden.“ Allerdings signalisierte Bundeskanzlerin Angela Merkel Kompromissbereitschaft: Man dürfe sich in der Koalition nicht im „Klein-Klein der Finanzierung“ verlieren, sagte sie.

Unterdessen ist noch ein anderer Punkt des Kitakonzepts unklar: Wie lässt sich die Qualität der neuen Einrichtungen sichern? Einerseits sagte SPD-Chef Kurt Beck, Motiv für den Kitausbau sei das Thema Chancengerechtigkeit: „Die Pisa-Studie hat gezeigt, was in den Vorschuljahren verloren geht, ist nicht mehr einzuholen.“ Andererseits dämpfte seine eigene Expertin, SPD-Fraktionsvize Nicolette Kressel, die Hoffnung, auf die Güte der Kita Einfluss zu nehmen: „Es ist überhaupt nicht möglich, Details der Frage der Qualität bundesweit zu regeln. Wir maßen uns da keine Bundeskompetenz an.“ Kressel erhofft sich „richtig spannende Gespräche“ mit den Bundesländern – die wird sie garantiert bekommen. Gerade föderal selbstbewusste Ministerpräsidenten wie Günther Oettinger haben deutlich gemacht: Die Idee des Kitaausbaus ist famos – nur sei sie eben Sache der Bundesländer.

Die SPD will die föderalen Hindernisse nun mit Hilfe eines Staatsvertrages umkurven, an dem Bund, Länder und Gemeinden teilhaben. Darin soll das gesamt Kitapaket geschnürt werden – Plätze, Finanzierung, Qualität. Weil besonders diese eindeutig in Händen der Länder und der Kommunen liegt, macht die SPD dazu nur stichpunktartig Vorschläge: Anhebung des Ausbildungsniveaus von ErzieherInnen, mehr Erzieher pro Kita, verbesserte Sprachförderung.

Allerdings ruderte SPD-Chef Kurt Beck bereits zurück. „Es wäre ein Fehler, wenn die an Praxis und Pädagogik orientierte Ausbildung von Erzieherinnen an Fachschulen zu einer theoretischen Ausbildung werden würde.“

Auch auf diesem Gebiet muss sich die SPD also auf CDU-Familienministerin Ursula von der Leyen verlassen. „Sie übernimmt die Aufgabe, die CDU-Ministerpräsidenten zu überzeugen“, sagte Bärbel Dieckmann hoffnungsvoll.

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