Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

LARS PENNING

Familiensoap und Gangsterfilm: Francis Ford Coppolas „Der Pate“ (1972) war das spektakuläre Comeback Marlon Brandos, der in seiner Rolle als alternder Mafia-Patriarch Don Vito Corleone, mit ausgestopften Wangen, Latex-Falten, leise vor sich hin nuschelnd, so überzeugend wirkte, dass ihn die Studiobosse beim Ansehen der Probeaufnahmen angeblich nicht erkannten (OmU, 17.8. Open Air Mitte).

Action und Drama gibt es auch im Pixar-Animationsfilm „Finding Nemo“ (2003): Während der Titelheld, ein jugendlicher Clownfisch, in die Gefangenschaft des Aquariums einer Zahnarztpraxis gerät, durchquert sein überängstlicher Vater Marlin auf der Suche nach seinem Sohn in Gesellschaft einer blauen Doktorfischdame mit Kurzzeitgedächtnisschwund erstmals den offenen Ozean. Komik und Gefahrenmomente sind dabei gut austariert: Als Nemo schließlich die Flucht aus der Zahnarztpraxis gelingt, geht es ganz todernst um sein Leben – doch zugleich ist die Szene auch eine völlig absurde und makabre Slapsticknummer, die mit einem Sprung ins Spülbecken des Behandlungszimmers endet. Überhaupt zielt der Humor des Films beileibe nicht nur auf Kinder ab: Über Haie, die eine Selbsthilfegruppe für anonyme Vegetarier gegründet haben, und Aquariumsfische, die hämisch Wurzelbehandlungen kommentieren, amüsieren sich auch die Erwachsenen (16.–17.8. Sputnik 2).

Sehr unverklemmt geht es in dem komödiantischen Coming-of-Age-Drama „Turn Me On“ (2011) der norwegischen Regisseurin Jannicke Systad Jacobsen zu: Die 15-jährige Alma (Helene Bergsholm) hat ihr sexuelles Begehren längst entdeckt – leider lebt sie in der Provinz, wo jeder jeden kennt und es außer ein paar Schafen nicht viel gibt. Bleiben die Wunschvorstellungen, doch mit den Anrufen bei der Telefonsex-Hotline ist es spätestens dann vorbei, als ihre Mutter die Telefonrechnung erhält. Und ob Artur, Almas Schwarm aus der Schule, tatsächlich bei einer Party im Jugendzentrum seinen Penis an ihrem Schenkel gerieben hat, das lässt der Film einigermaßen im Ungefähren. Dass sie aufgrund einer unbedachten Äußerung gegenüber ihren Freundinnen allerdings zur „Schwanz-Alma“ gerufenen Außenseiterin wird, ist nicht mehr so lustig – aber Regisseurin Jacobsen findet für die kleinen großen Dramen des Teenagerdaseins eine leichte, intelligent-humorvolle Form und beobachtet dabei all die Unsicherheiten und Frustrationen der Jugend sehr genau. Am Ende werden einige studentische Bekannte aus Oslo das Drama wieder in die richtigen Proportionen rücken und Alma klarmachen, woran sie mittlerweile schon gezweifelt hatte: dass mit ihr nämlich alles völlig in Ordnung ist (OmU, 14.–20. 8. Brotfabrik-Kino).