Briefwahlanträge vermisst

Mehr als 15.000 Briefabstimmungsgesuche sind verschwunden, will der Verein Mehr Demokratie errechnet haben. Laut Landeswahlamt wurden aber alle Anträge bearbeitet

Die Bürgerinitiative „Rettet den Volksentscheid“ (RdV) in Hamburg schlägt Alarm: In den Zählungen des Landeswahlamts würden mehr als 15.000 gestellte Briefabstimmungsanträge nicht auftauchen. Während die Behörden die Summe von 50.000 postalischen Anträgen errechneten, zählen die Initiatoren des Volksbegehrens mindestens 65.000 Anfragen – das hieße, dass tausende HamburgerInnen fünf Tage vor Ablauf der Eintragungsfrist noch immer auf ihre beantragten Formulare warten. Erst diese ausgefüllten und frankiert zurück gesendeten Formulare gelten als Stimme.

„Unser Vertrauen in die Wahlleitung der Stadt ist endgültig dahin“, sagt Gregor Hackmack vom Verein Mehr Demokratie.

Die Ergebniserfassung des Vereins zählt die Briefabstimmungsanträge, die über die eigene Homepage geordert und die im Hamburger Vereinsbüro eingegangen und beim Landeswahlamt quittiert und abgegeben wurden. Hinzugerechnet wurden noch Briefabstimmungsgesuche, die laut den Behörden bis zum 12. Februar direkt beim Wahlamt eingegangen sind. Für die vergangenen 14 Tage seien etwa 7.000 Anträge bei der Stadt gestellt worden, heißt es bei der Bürgerinitiative. Addiert ergebe das ziemlich genau 65.000.

Aber selbst wenn seit dem 12. Februar kein einziger Bürger beim Landeswahlamt einen Briefabstimmungsantrag gestellt hätte, seien dort immer noch 8.000 Anfragen zu wenig aufgeführt. Das Landeswahlamt hatte vergangene Woche Zahlen veröffentlicht, nach denen 47.000 Anfragen auf dem Postwege beantwortet wurden. Von weiteren 3.000 seien bereits die ausgefüllten Abstimmungsformulare eingetroffen. Insgesamt also 50.000.

„Wir wollen wissen, wo die übrigen 15.000 Anträge verblieben sind“, sagt Gregor Hackmack von Mehr Demokratie. Da sich täglich Bürger meldeten, die schon vor Wochen ihre Briefabstimmung beantragten, gehe man davon aus, dass die Gesuche verschlampt oder noch nicht bearbeitet seien. Der Landeswahlleiter Christian Kower reagiere nicht auf die Differenz. „Also rufen wir alle Hamburger dazu auf, die Formulare direkt in den Bezirksämtern auszufüllen.“

Alle Briefabstimmungsanträge werden innerhalb von 24 Stunden bearbeitet, sagte dagegen Kower gestern der taz. „Bei uns verschwinden keine Anträge. Die Zahlen der Bürgerinitiative kann ich nicht nachvollziehen.“ Heute werden die aktuelle Statistiken des Landeswahlamts verkündet.

Farid Müller (GAL) sieht in dem Abstimmungsverfahren „ein wahnsinniges Chaos, das die Behörden veranstalten.“ In der morgigen Fragestunde der Bürgerschaft will die GAL-Fraktion den Senat zu den widersprüchlichen Angaben und den tausenden wartenden Briefantragstellern befragen. MART-JAN KNOCHE