Entlassen und gefährlich

Während die Bundesjustizministerin Zypries plant, auch jugendliche Gewalttäter dauerhaft im Knast zu verwahren, wird in Hamburg ein gefährlicher 26-Jähriger entlassen – eben weil es die Sicherungsverwahrung nicht gibt

Es geht darum, junge Menschen, die im Alter von 14 bis 17 Jahren Gewalttaten begangen haben, ihr Leben lang weg zuschließen

Ein Hamburger Fall verdeutlicht derzeit plastisch, was Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) meint, wenn sie auch für jugendliche Gewaltverbrecher eine Sicherungsverwahrung im Gefängnis möglich machen will. In der Hansestadt ist diese Woche der 26-jährige Patrick E. in Freiheit entlassen worden, der 1998 im Alter von 16 Jahren kaltblütig einen Mord beging – und nach achteinhalb Jahren Haft als weiterhin gefährlich gilt. „Er wäre jemand, bei dem man die Sicherungsverwahrung hätte prüfen können, wenn es sie gäbe“, sagt Justizsprecher Carsten Grote. Der Hamburger Senator Carsten Lüdemann (CDU) hält Zypries’ Schritt für „längst überfällig“.

Unumstritten aber ist der nicht. Immerhin geht es darum, junge Menschen, die im Alter von 14 bis 17 Jahren Gewalttaten begangen haben, unter Umständen ihr Leben lang weg zuschließen. Ist es Sozialromantik auf der einen und populistische Scharfmacherei auf der anderen Seite, sich dagegen oder dafür auszusprechen? Die Antwort ist nicht einfach, eben weil es in der Tat Gewaltverbrecher gibt, die nicht resozialisierbar sind. Für diese bräuchte man einen „letzten Rettungsanker“ wie Justizsprecher Grote sagt. Dem aber hält der Kriminologieprofessor Bernd-Rüdeger Sonnen von der Uni Hamburg entgegen, dass „wir die Kriminalität niemals auf null werden reduzieren können“. Natürlich bräuchten hochgefährliche Jugendliche eine soziale Kontrolle – „aber in Freiheit“.

Patrick E. hatte zusammen mit Christian L. 1998 einen Lebensmittelladen überfallen und den Besitzer mit einem Messer erstochen. Zunächst saßen beide im Jugendgefängnis Hahnöfersand. Dort galten sie als schwierige Insassen: Patrick E. verweigerte rigoros, sich mit seiner brutalen Tat auseinander zu setzen. „Er ist überhaupt nicht zur Selbstreflexion in der Lage“, heißt es aus Anstaltskreisen. Eine Disziplinarmaßnahme reihte sich an die nächste, bis er schließlich in den Erwachsenenvollzug verlegt wurde. Dort lehnte er psychologische Betreuung ab, sein Verhalten allerdings besserte sich etwas: Seit Januar 2003 arbeitete Patrick E. zuverlässig in der anstaltseigenen Tischlerei. Die angebotene Ausbildung als Tischler aber lehnte er ab.

Eine vergleichbare Biographie hat Christian L. Der kommt tatsächlich in Sicherungsverwahrung, weil er wenige Tage nach seiner Haftentlassung im August 2005 erneut bewaffnete Raubüberfälle beging – und erneut zu Haft verurteilt wurde. Das Gericht hat im Urteil die anschließende Verwahrung des heute 23-Jährigen gleich mit verfügt. Dessen Fall aber offenbart ein Problem, auf das nun die Kritiker der Zypries-Pläne verweisen: Bei Christian L. ist aktenkundig, dass die Justiz während seiner Haftzeiten kaum etwas zur Resozialisierung unternommen hat. Im Gegenteil: Alle Versuche, ihn auf das Leben in Freiheit vorzubereiten, wurden offenbar abgelehnt. Das hat eine Richterin angeprangert, die im letzten Prozess gegen Christian L. über ihre eigenen Bemühungen, pädagogische Maßnahmen durchzukämpfen, Auskunft gab: Die Justizbehörde habe alle Versuche „torpediert“, sogar die Teilnahme an einem Anti-Aggressionstraining abgelehnt. Im Raum steht nun die Befürchtung, dass Resozialisierungsmaßnahmen für jugendliche Gewalttäter noch weiter eingeschränkt werden, wenn es das spätere Auffangbecken der Verwahrung gibt. „Diese Gefahr sehe ich durchaus“, sagt Kriminologieprofessor Sonnen.

Seiner Einschätzung nach könne man über einen Menschen, der im Alter von 14 bis 17 Jahren eine Gewalttat begeht, noch keine Prognose für das weitere Leben abgeben: „Der steckt noch in seiner Entwicklung drin“, sagt Sonnen. „Ihn für dauerhaft gefährlich zu halten, ist keine sichere Prognose, sondern eine Zuschreibung.“ ELKE SPANNER