Senat sitzt auf heißen Kohlen

Umweltsenatorin Lompscher will geplantes Steinkohlekraftwerk „skeptisch“ prüfen: Ein Neubau sei nur sinnvoll, wenn die Umweltbelastung verringert werde. Grüne kritisieren diese Ansage als „wachsweich“. Der Zeitplan von Vattenfall wackelt

VON ULRICH SCHULTE

Nach Kritik am geplanten Steinkohlekraftwerk bekommt auch der Senat seine Zweifel. „Eine neue Energieerzeugungsanlage ist nur dann sinnvoll, wenn ein positiver Beitrag zum Klimaschutz und eine Reduzierung der sonstigen Umweltbelastung nachgewiesen werden kann“, sagte Umweltsenatorin Katrin Lompscher (PDS) gestern der taz. Sie kündigte an, die Pläne des Stromkonzerns Vattenfall „sorgfältig und skeptisch“ zu prüfen.

Lompschers Umweltverwaltung ist für die Genehmigung des wichtigsten Vattenfall-Projekts in der Hauptstadt zuständig. Der Konzern will eine Milliarde Euro in das größte Steinkohlekraftwerk Berlins investieren. Die Anlage mit einer Stromleistung von 800 Megawatt und einer Wärmeleistung von 650 Watt soll im Jahr 2012 in Betrieb gehen und das veraltete Kraftwerk Klingenberg in Lichtenberg ersetzen.

Grüne, CDU und Naturschützer haben die Pläne kritisiert, Vattenfall setze nicht auf neue Energien, sondern auf den „Klimakiller Steinkohle“. Kohlekraftwerke stoßen große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) aus.

Das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheit und technische Sicherheit (LAGetSi), das zur Umweltverwaltung gehört, wird die Genehmigung prüfen. Im Moment läuft eine Umweltuntersuchung. „Der Genehmigungsantrag kann erst nach Vorliegen dieser Untersuchung gestellt werden, voraussichtlich nicht vor Frühjahr 2008“, sagte Lompscher. Damit wackelt der Zeitplan des Konzerns. Vattenfall würde am liebsten noch in diesem Jahr alle Genehmigungen einsammeln, um schon 2008 in die vierjährige Bauphase starten zu können. Wenn dem LAGetSi alle Unterlagen komplett vorliegen, hat es aber bis zu zehn Monate Zeit für die Prüfung.

Der Energieexperte der Grünen-Fraktion, Michael Schäfer, wirft der Umweltsenatorin einen „wachsweichen Kurs“ beim Kohlekraftwerk vor. „Natürlich reduziert eine moderne Anlage die Umweltbelastung, wenn dafür eine Alte abgeschaltet wird – das ist immer so.“ Vattenfall wähle mit Steinkohle aber den Energieträger, der am schädlichsten fürs Erdklima sei. Bei der Nutzung von Erdgas werde nur halb so viel CO2 in die Atmosphäre geblasen wie bei Steinkohle, so Schäfer.

Sein Kritik: „Der Senat hat den Kraftwerksbau bereits unterstützt.“ Sein Argument: Der Senat hat im November vergangenen Jahres seinen Konzessionsvertrag mit Vattenfall verlängert. „Das war ein Geschenk für den Konzern“, erklärt Schäfer. Das Papier regelt, dass der Konzern gegen eine Gebühr von jährlich 143 Millionen Euro das Straßenland für seine Leitung nutzen darf. „Hätte der Senat den Vertrag an einen anderen Anbieter vergeben, könnte er Vattenfall mehr Druck machen“, so Schäfer. Stattdessen habe Rot-Rot die Entscheidung im Vermögensausschuss auch mit der anstehenden Investition in das Kraftwerk begründet.

Der Senat gewährt Vattenfall gegen Gebühr auch die Macht über das Fernwärmenetz. „Wir haben über diese Leitungen ebenfalls eine Konzessionsvereinbarung getroffen“, bestätigte ein Sprecher der taz. Sie wurde mit der Vertragsverlängerung abgeschlossen und gilt rückwirkend ab Januar 2006. Vattenfall passt das gut ins Konzept. Der Kraftwerksneubau sei „extrem wichtig“ für die Fernwärmeversorgung des Ostteils der Stadt, so Konzernsprecher Olaf Weidner. An dem Leitungsnetz hängen vor allem Plattenbauten, etwa in Marzahn-Hellersdorf.