Moritz Krämer greift zur Klampfe und Alexander Hacke zum Stetson

So, jetzt alle zusammen einfach mal aussprechen: Lie-der-mach-er. Guck an, hat doch gar nicht wehgetan. Der Liedermacher ist zurück, und das in des Wortes ureigenster und kaum vorbelasteter Bedeutung: Einer, der Lieder macht. Und so einer ist auch Moritz Krämer, der allerdings nicht die übliche Liedermacher-Geschichte hat. Statt im stillen Kämmerlein vor sich hin zu reimen, zuerst die eigene Seele und dann die Akustikgitarre zu malträtieren, hat er jahrelang an sehr renommierten Bühnen, hier in Berlin am Maxim Gorki, Hebbel am Ufer und in der Volksbühne, aber auch in Halle und Heidelberg, als Musiker gearbeitet, hat komponiert und getextet. Deshalb ist Krämer zwar schon 30 Jahre alt, aber „Wir können nix dafür“ erst sein Debütalbum. Auf dem singt er über den Rotz, der „gelb, kindlich und warm“ an der Nase der kleinen Nichte hängt, aber auch über Putin und Rachel Weisz, über Wasserflecken, „den sparsamen Kleinwagen für die Kinder“ und „die Sorgen, dass man ständig ficken muss“. Vielleicht liegt es daran, dass Krämer vom Theater kommt und mittlerweile Regie an der dffb studiert, dass sich hier nicht das übliche Liedermacher-Gefühl einstellt, dass da einer vor allem von sich selber berichtet. Krämer schlüpft lieber in Rollen, er entwirft Leben und Situationen. Voller Ernst und doch jederzeit auch mit dem nötigen Humor beschreibt er Beziehungen, Familien, Freundschaften, alle möglichen Alltäglichkeiten und eben auch einen Himmel, der so kitschig ist, „dass er mir die Stimmung versaut“. Doch Kitschgefahr besteht für Krämer absolut keine. Seine Musik ist zwar nicht so harsch wie die seines Freundes Gisbert zu Knyphausen, der regelmäßig einen seiner Songs covert, aber eben lange nicht so gefühlsduselig wie zum Beispiel ein Philipp Poisel. Zu unaufgeregter, butterweicher Bandbegleitung singt er, die Konsonanten abschleifend und sehr lakonisch, in einer wundervoll klaren, ungekünstelten Sprache, die trotzdem voller Finessen ist: „Und all die kleinen Gefühle kringeln sich vor Freude, die pinkeln Dopamin. All die großen Gedanken, die tun so wichtig, kacken überall hin.“

Wer Alexander Hacke kennt, der weiß, dass es bei ihm stets die großen Gedanken sind, die ihr Häufchen setzen müssen. Ausreichend Konzept muss sein, auch auf dem gemeinsamen Album des Bassisten der Einstürzenden Neubauten und seiner Ehefrau, der amerikanischen Künstlerin Danielle de Picciotto: Für „Hitman’s Heel“ inszeniert sich das Paar als Berliner Ausgabe von Nancy Sinatra und Lee Hazlewood. Hacke gibt, kräftig unterstützt von seinem deutschen Akzent, den schnarrenden Bösewicht und Picciotto die verführerische Sirene. Dazu zitieren die Gitarren Countryklischees, und sehnsüchtig singt der Wüstenwind ein Wiegenlied für Desperados. Zur Abwechslung geht es zwar auch mal auf den Jahrmarkt oder ins Vaudeville-Theater, aber Hacke findet schnell wieder in den Sattel und erfüllt sich mit dieser Platte durchaus hörenswert einen anscheinend sehr lange gehegten Kindertraum: endlich mal Cowboy spielen. THOMAS WINKLER

■ Moritz Krämer: „Wir können nix dafür“ (Tapete/Indigo), live am 31. 3. im Privatclub

■ Danielle de Picciotto & Alexander Hacke: „Hitman’s Heel“ (Potomak/ Indigo), live am 27. 3. im HAU