DIE SACHEN AUF DEM HOF GEGENÜBER DER STRASSE NACH RÅBYLILLE
: 40 Jahre Leben zu verkaufen

Foto: privat

REBECCA CLARE SANGER

Über gemeinsame Bürgerfestessen am Ende des Monats und Flohmärkte an seinem Anfang wird gesprochen, auch über den Preis von Brennholz und wo es herkommt. Wir hören, wer das Land vom Bauern gegenüber der Kirche gekauft hat, und was seine norwegische Frau mit der Zeit machen will, die die beiden als Ehepaar nun übrig haben. In die Türkei und nach Thailand werden sie fahren, hören wir, und in Norwegen an einigen Korbflechtkursen teilnehmen.

Vom Flohmarkt am kommenden Samstag haben wir schon Wochen im Voraus gehört. Er sei von privat, auf dem Hof gegenüber der Straße nach Råbylille. Der Mann habe Werkzeug, Gartenmaschinen, Anglerzubehör, Kochtöpfe, einen Grill – Gummistiefel habe er sicher auch welche. Am Samstag sei der Flohmarkt, sagt unsere Bekannte, Samstag und Sonntag.

Ab Mittwoch hält sie sich dort stündlich auf und weiß von der nun fehlenden Heckenschnittmaschine zu berichten. Sie ruft uns an: Auch der Rasenmäher ist jetzt die Hofeinfahrt hinuntergefahren worden. Sie kommt vorbei: Jetzt gibt’s auch keine Kochtöpfe mehr. Wer sie mitgenommen hat, ist ihrem wachsamen Auge entgangen. Als wir am Samstag in die Hofeinfahrt einbiegen, biegt der Grill soeben auf einem Anhänger hinaus.

Wir parken das Auto auf Schotter. Hinter einem Elektrozaun vor zwei offenen Scheunentoren sitzt ein müder alter Labrador. Ich halte ihn für bissig, genauso wie es das handgeschriebene Schild sagt: „Pas på! Hunden bider!“ Ich warte also, bis der ältere Mann uns durch den Elektrozaun lässt, „Quatsch, der beißt nicht, aber wer weiß, was die Leute sonst so mitnehmen würden“. Er geht voran in die Scheune, und mit müden Schritten und weißem Schnurrbart folgte uns der Hund.

Auf Tapeziertischen die Reste von 40 Jahren, die seit einer Woche zum Verkauf gestanden haben: Sammelteller, Sammelaschenbecher aus Tirol, Wärmeplatten für Kochtöpfe – die schon weg sind –, hässliche Deckenlampen, hässliche Wandlampen. Nein, der benzinangetriebene Handroder steht nicht zum Verkauf.

Im hinteren Teil der Scheune stehen die Regale für die 40 Jahre. Sie sind schwer und hölzern – und sind noch zu verkaufen. Darin finden sich Sauerstoffanlagen für große Teiche, „leider wurde das mit den Karpfen nichts, ich konnte kein gesundes Ökosystem in dem 100-Quadratmeter-Teich aufrechterhalten“, und eine Heimbrauanlage. „Weinmachen hab ich auch mal probiert, aber leider werden die Trauben hier nicht süß genug.“

Ob er das gelernt habe?

„Nöö, ich habe mein Leben lang im Abschleppdienst gearbeitet.“

Kommt er hier aus der Gegend?

Nö, auch nicht. „Ganz zufällig hat’s mich in den 70ern nach Møn verschlagen. Ich dachte natürlich, es würde Jahre dauern, bis ich das Haus verkauft kriege, aber es dauerte nur zwei Wochen! Der Nachbar sagte noch, ich hätte ihm mal Bescheid sagen sollen, dann hätte er’s gekauft. Aber da war es schon zu spät!“

Der Hund lässt sich auf ein Kissen fallen und ich träume von einem Karpfenteich und einem Weinberg.

„In die neue Zweizimmerwohnung in der Seniorenwohnanlage kann ich das alles natürlich nicht mitnehmen.“ Die paar Wochen, bis er das Haus übergeben und seinen Kram reduziert hat, werden bald vorbei sein; das Zwischenstadium, in abgelatschten Billig-Sanitätshausschuhen vorm Garagentor: vorbei. Und am Ende des heutigen Tages wird sein Hund auch nicht mehr bissig sein.

„Diese Steinhauerei hat mein Vater einmal angefertigt“: Er zeigt auf eine hellgraue Ernteszene an der Hauswand neben der Garage. „Ich fand, das passte gut hier hin.“

Wir gucken uns die Ernteszene an.

„Die bleibt hier“, sagt der alte Mann. „Die würde ja kaputtgehen, wenn man versucht, sie zu entfernen. Findet ihr nicht?“

Rebecca Clare Sanger pendelt mit Mann und Kindern zwischen dem Hamburger Umland und der dänischen Insel Møn; was sie hier wie dort erlebt, steht alle zwei Wochen an dieser Stelle. Einen Sammelband mit ihren „Hamburger Szenen“ aus der taz hat im vergangenen Jahr der Verlag Michason & May unter dem Titel „Hamburg Walking“ veröffentlicht.