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: Das Problem der Solidarität

Ich war bei Lidl. Das zu bekennen, ist nicht einfach, weil es in der Regel Debatten über prekäre Arbeitsbedingungen im globalisierten Kapitalismus nach sich zieht. An dieser Stelle pflege ich dann aber vorzubringen, dass die Gewerkschaften ausdrücklich vom Boykott abgeraten haben. Die Kunden sollen den ausgebeuteten Lidl-MitarbeiterInnen lieber ihre Unterstützung im Kampf um bessere Arbeitsbedingungen erklären, hieß es.

Jedenfalls war ich dort. Und gewillt, die KollegInnen meine Solidarität spüren zu lassen. Deshalb nickte ich zunächst dem Karton-Auspacker verschwörerisch zu, als ich eine Palette Joghurts in meinen Wagen hievte. Der guckte leicht verstört. Dann stand ich schließlich an der Kasse, auch hier fest entschlossen, betont freundlich zu sein, um den KassiererInnen das Leben zumindest nicht noch schwerer zu machen. Die Verkäuferin blickte mir zwar nicht einmal in mein lächelndes Gesicht, sondern zog wortlos meine Waren am Scanner vorbei übers Laufband. Aber dafür hatte ich natürlich Verständnis, sie hat es schließlich nicht leicht.

Da kam plötzlich ihre Kollegin vorbei, freudestrahlend. Anerkennend klopfte sie der Kassiererin auf die Schulter. „Das hast du gut gemacht“, lobte sie. „Guter Zusatzverdienst“. Die Miene der anderen hellte sich sichtbar auf. „Wieso, kriege ich was davon ab?“ „Na klar!“ erwiderte die andere. „Wer einen Dieb fängt, hilft dem Laden ja, Geld zu sparen.“ Woraufhin die Kassierin erstmals auch mich ansah und am ganzen Körper musterte, jede Kundin kann schließlich eine Diebin sein. Sie feixte: „Na, dann werde ich jetzt Detektiv.“ Und ich kaufe ab sofort doch woanders ein.ELKE SPANNER