Gegen Islamisten und Milizen ist dem Parlament jedes Mittel recht

LIBYEN Die vom Bürgerkrieg bedrängten Volksvertreter bitten die Welt um eine Militärintervention. Und alle Milizen sollen verboten werden

Unterstützung für Islamistengegner könnte in Form von russischen Panzern kommen

AUS TOBRUK MIRCO KEILBERTH

Libyens Parlament bittet die internationale Gemeinschaft angesichts der eskalierenden Kämpfe in Tripolis und Bengasi um Hilfe. Das im Juni neu gewählte Repräsentantenhaus forderte am Dienstag im ostlibyschen Tobruk mit 111 Stimmen der 124 anwesenden Abgeordneten eine Militärintervention, ohne auf nähere Details des Hilfegesuchs einzugehen. Um sich vor dem Zugriff der mächtigen Milizen zu schützen, hatten die Parlamentarier ihren Sitz in die vom Militär kontrollierte Hafenstadt an der ägyptischen Grenze verlegt.

„Die internationale Gemeinschaft muss sich umgehend einschalten, um den Schutz von Zivilisten sicherzustellen“, sagte der Abgeordnete Abu Bakr Biira der Nachrichtenagentur AFP nach dem umstrittenen Votum, dem über 50 Volksvertreter fernblieben. Viele Libyer fordern zwar eine Rückkehr von Armee und Polizei auf die Straßen, lehnen jedoch wegen der Finanzierung einiger Milizen durch Katar und Saudi-Arabien weiteres ausländisches Engagement ab.

Obwohl sich derzeit eine kleine UN-Mission in Tripolis um einen Waffenstillstand bemüht, stehen die Zeichen eher auf einer Ausweitung des Krieges. In den Vororten Jansour und Ghut Shaal schlugen in den letzten Tagen immer wieder Kurzstreckenraketen ein, mehrere Anwohner starben in den Trümmern ihrer Häuser. 36.000 Hauptstädter haben das Kampfgebiet verlassen. Der Polizeichef von Tripolis wurde am Dienstag erschossen.

Die Strom- und Wasserversorgung bricht immer wieder zusammen. Allein am Dienstag starben nach Angaben von Krankenhausärzten Dutzende Milizionäre aus Misrata und Sintan während der Kämpfe um den mittlerweile zerstörten internationalen Flughafen. Dass beide Stadtmilizen 2012 zu offiziellen Sicherheitskräften erklärt wurden und vom Staat bezahlt werden, gehört zu den vielen Absurditäten Nachkriegslibyens.

In einer zweiten Resolution beschloss das Repräsentantenhaus daher, alle Milizen für illegal zu erklären und ihnen den Geldhahn zuzudrehen. Das zum Schluss von Islamisten kontrollierte erste Übergangsparlament hatte mit dem Aufbau einer Parallelpolizei und Armee und dem Ausschluss sämtlicher Funktionäre des Gaddafi-Regimes den Grundstein für den jetzigen Konflikt gelegt.

„Einige Abgeordnete fürchten nun weitere Angriffe der Milizen und halten das Vorpreschen des Parlamentes für verfrüht“, meint der Abgeordnete Mustafa Abushagur aus Suk al-Juma. Vor allem Moderate wollen ein Zeichen gegen die Milizen setzen und hoffen, dass die UNO ihnen im Notfall zur Hilfe eilt.

Die UNO und die EU setzen in dem Kampf zwischen Islamisten und Moderaten in Bengasi und in den Kleinstädten und um die Kontrolle in Tripolis auf Dialog und verurteilten die Gewalt.

Außer Ägypten zeigt sich niemand gewillt, Soldaten oder Waffen zu schicken. „Die Trainingscamps der Islamisten sind eine direkte Bedrohung Ägyptens“, betonte Staatschef Abdel Fattah al-Sisi vergangene Woche.

Unterstützung der Armeeallianz des pensionierten Generals Chalifa Haftar könnte jetzt in Form von russischen Panzern kommen. Moskau erfülle damit einen noch mit Gaddafi geschlossenen Vertrag, so Georgi Kusyk, stellvertretender Exportchef im Rüstungskonzern KBM, am Mittwoch. Kusyk teilte zwar nicht mit, an welche der Armeeeinheiten die Panzer geliefert werden. Nach einem freundschaftlichen Treffen von Wladimir Putin mit Sisi wird es wohl die Anti-Islamisten-Fraktion von General Haftar in Tobruk sein.