Vom Ende einer Klasse

Das französische Streikdrama „Die Fabrik brennt“ erzählt vom letzten Aufbäumen des Proletariats (20.40 Uhr, Arte)

Die Besitzer kamen und gingen, die Arbeiter blieben. So sind den Kollegen einer Textilfabrik in den Ardennen die Produktionsmittel geradezu ans Herz gewachsen. Vor ein paar Jahren, als das Unternehmen unter Wasser stand, säuberten sie die Apparate sogar in mühseligen Endlosschichten von Schlick und Schlamm. Das war Ehrensache, dafür gab es keine Extravergütung. Und nun, da die letzten Eigentümer nach dem Konkurs geflohen sind und die Regierung die Fabrik schließen will, drohen die Arbeiter eben ihre geliebten Maschinen mit in den Untergang zu reißen. 60.000 Liter Schwefelsäure lagern auf dem Gelände; wenn die explodierten, hinterließe das einen schönen Krater.

Der Franzose Maurice Failevic hat für seinen Fernsehfilm „Die Fabrik brennt“ einen wahren Fall rekonstruiert: Im Jahr 2000 sollte das Textilveredelungswerk Cellatex in Givet geschlossen werden. Die Arbeiter besetzten die Anlage, drohten mit Sprengung und ließen als Warnung 5.000 Liter Säure in einen Kanal laufen. Failevic hat den Arbeitskampf nun nachgestellt, zum Teil mit den Aktivisten von damals. Das Ergebnis ist ein erstaunlich unzynisches Drama über das Ende einer Klasse: Das Proletariat stirbt, hier aber bäumt es sich noch einmal in gerechter Wut auf.

Dabei wird der Solidarisierungsvorgang nicht von seinen Widersprüchen befreit. Die Verhandlungen mit den Regierungsvertretern sind zäh, die Arbeiter poltern zuweilen wirkungslos gegen die Anzugträger an. Aber der gelegentlich ziemlich linkische Aktionismus bleibt doch nicht ganz folgenlos; man handelt Abfindungen heraus, die es ohne den Kampf nicht gegeben hätte. Es liegt also eine Art proletarischer Restglaube in Failevics Chronologie des Widerstands: Die Verhältnisse sind unveränderbar, aber es lassen sich ihnen manchmal eben doch bescheidene Erfolge abringen.

Filme über Streiks sind ja selten geworden. Meist geht es um historische Ereignisse wie in Volker Schlöndorffs im März startendes Solidarność-Drama „Strajk“. Oder um das letzte Zucken der Arbeiterklasse, so wie man es unlängst im deutschen TV-Film „Als der Fremde kam“, Andreas Kleinerts grabeskaltes Requiem aufs Proletariat, sehen konnte. Die Zementarbeiter agierten hier denkbar machtlos, und der Gewerkschaftsfunktionär vergnügte sich mit den Frauen der Kumpels.

Interessanterweise offenbart „Die Fabrik brennt“ nun gerade in der Figur des Gewerkschafters einen bescheidenen Realo-Optimismus: In endlosen Verhandlungssitzungen handelt der herbeigereiste Arbeitervertreter Guérin (Bernard-Pierre Donnadieu) Bedingungen für die Abwicklung des Betriebs aus, die unter den Forderungen der Arbeiter liegen, aber über den üblichen Arrangements bei vergleichbaren Konflikten.

Ein Sieg ist das natürlich nicht zu nennen. Von den 153 ehemaligen Cellatex-Arbeitern, so lässt der Film die Zuschauer am Ende wissen, sind mehr als die Hälfte noch immer arbeitslos. Das Proletariat stirbt, es bleibt das Prekariat. Bessere Zeiten sind nicht in Sicht. Selbstzerfleischung aber ist auch keine Lösung. Dass dieser Klecker-Optimismus so mitreißend daherkommt, ist vielleicht das Erstaunlichste an diesem Film. CHRISTIAN BUSS