US-PRÄSIDENT GEORGE W. BUSH VERFOLGT IN IRAK EINE NEUE STRATEGIE
: Es muss aber nach Bush aussehen

Präsident George W. Bushs eigenwilliges Beharren auf der Entsendung von mehr Truppen in den Irak – und sei es auch nur für eine bestimmte Zeit – bringt ihm wenig politische Freunde ein. Alles hatte seit den für die Republikaner vernichtenden Kongresswahlen vor zwei Monaten in die andere Richtung gedeutet: nämlich Truppenabzug. Und nun das Gegenteil! Dabei halten die Truppenaufstockung nur die Administration, einige Falken im Capitol und eine Handvoll Ideologen in den US-Denkfabriken für eine gute Idee.

Hat Präsident Bush die Vorschläge der Baker-Kommission zur Stabilisierung der Lage im Irak also in die Mülltonne guter Ratschläge geworfen? Eher nicht. Bei allem Kopfschütteln über seine bockige Halsstarrigkeit muss man genau hinschauen. Bush hat, will er nicht mit dem Irakdesaster untergehen, keine andere Wahl, als den Empfehlungen der Baker-Kommission, oder nennen wir es: dem gesunden Verstand, zu folgen. Es soll um Gottes willen nur anders, mehr nach George W. aussehen.

Die Autorengruppe erfahrener Politiker ließ Bush klugerweise großen Spielraum: Erstens schweigt sich die Kommission über die Truppenzahl und ihre zeitliche Einsatzplanung aus. Ihr Hauptanliegen war vielmehr die politisch-diplomatische Offensive. Tatsächlich fährt Außenministerin Condoleezza Rice, angeblich auf Anregung Angela Merkels hin, das Nahost-Quartett wiederzubeleben, am Wochenende zu Gesprächen in die Region. Genau dies hat die Baker-Gruppe gefordert. Rice’ frisch ernannter Vize, John Negroponte, ist nicht zufällig ein geschulter Diplomat, der bereits in Bagdad diente.

Und mit den irakischen Nachbarstaaten der „Achse des Bösen“, dem Iran und Syrien, wird auch gesprochen werden. Längst tagt die Konferenz der Nachbarstaaten Iraks, eine geeignete diplomatische Arena, in der die USA nach all dem rhetorischen Getöse keinen Gang nach Canossa hinlegen müssen, um einen Neuanfang zu suchen. Der Baker-Report fordert schließlich mit keinem Wort direkte, bilaterale Gespräche mit Syrien oder dem Iran. ADRIENNE WOLTERSDORF