Schauspielen statt Simsen

Das erste Handyfilmfest endet morgen mit einer Gala. 85 Schüler haben ihre Kurzstreifen eingereicht. Und freuen sich auf die Begegnung mit ihrem Kiez-Idol: Oktay Özdemir aus dem Film „Knallhart“

VON KONRAD LITSCHKO

Christine Moritz beugt sich über die Toilettenschüssel, übergibt sich. „Übelkeit war erst der Anfang und noch das Harmloseste im Vergleich zu dem, was dann kam“, spricht die 21-Jährige mit ruhiger Stimme in die Kamera. Christine Moritz erkrankte an Lymphknotenkrebs, durchstand Chemotherapien, verlor ihre langen dunklen Haare. „Das Tragen der Perücke war das Allerschlimmste.“ In den bedächtigen Bildern ihres Films durchläuft die junge Frau noch einmal ihre Leidenszeit: das Krankenhaus, die geschwächten Tage im Bett, die Narbe am Hals. Dann ihr erlösendes Lächeln: „Heute bin ich seit viereinhalb Jahren geheilt und froh, wieder regelmäßig zur Schule gehen zu können.“

Christine Moritz’ Kurzfilm „Sommer 2001“ ist der mutigste und emotionalste Beitrag zum diesjährigen Berliner Handyfilmfest. Es ist das erste seiner Art in der Hauptstadt. Seit August hatte der Verein Kulturgymnastik Jugendliche aufgerufen, sich im Rahmen von Workshops mit selbstgemachten Handy-Kurzfilmen an dem Wettbewerb zu beteiligen.

Mit Erfolg: 37 Filme von 85 Workshopteilnehmern seien eingegangen, so Mitorganisatorin Claudia Hartmann. „Da sind beachtliche Leistungen dabei – Humoriges bis Schmerzhaftes“, lobt die Pädagogin und Spiele-Redakteurin. Bis Ende November hatte ihr Verein Workshops zu Handys und Medien in Schulen und Jugendklubs durchgeführt. Schwerpunktbezirke des vom Kinderhilfswerk, O2 und dem Senat geförderten Projektes waren Wedding, Kreuzberg und Schöneberg. „Da war vom Jugendklub Naunyritze bis zum gymnasialen Kunst-Leistungskurs alles dabei“, sagt Hartmann.

Den Jugendlichen stand eine illustre Schar von Künstlern des Kulturgymnastik-Vereins gegenüber: Webdesignerin und Filmemacher, CD-ROM-Drehbuchautor und Modellbauer. Mit den Schülern entwickeln sie eine Filmdramaturgie, drehen und schneiden.

Die Idee zu dem ungewöhnlichen Filmfestival sei im Verein entstanden, erinnert sich Hartmann. „Das Handy ist heute doch der Jugend liebstes Kind. Mit dem Festival können wir die Jugendlichen da auffangen, wo sie sind. Und zeigen, dass sie mit ihren Handys auch kreativ sein können“, erklärt Claudia Hartmann. Allzu oft gerate das kleine Mobilfunkgerät negativ in die Schlagzeilen: Statussymbol, Pornografie oder Happy Slapping – das Filmen von grundlosen Angriffen auf Passanten.

Die Filme der Jugendlichen setzen dem nun einen kreativen Impetus entgegen: Da rappen Okan und Ferhat einen eigens komponierten Hiphop-Song, da sinnieren Jessi und Marie über ihren „absoluten Traumboy“, da appelliert Yasemin, Drogen keine Chance zu geben. Für Christine Moritz war schnell klar, dass sie einen Film über ihre überwundene Krankheit, über den Krebs, machen wollte. Allerdings anfangs hinter der Kamera. „Aber dann dachte ich, das wäre authentischer, wenn ich’s selbst erzähle“, so die Abiturientin.

Nun ist es an der Jury, die besten Filme mit niegelnagelneuen Handys zu prämieren. Neben einem Teilnehmer- und einem Publikumspreis gibt es auch eine fünfköpfige Jury, die die Handy-Streifen bewerten. Mit dabei: Oktay Özdemir. Der 19-jährige Schauspieler, aufgewachsen in Kreuzberg, hatte Hauptrollen in den Filmen „Knallhart“ und „Wut“. „Das ist ein geiles Projekt für die Jugendlichen, da konnte ich nicht Nein sagen“, sagt Özdemir gegenüber der taz. „Der Sinn ist doch: Nehmt nicht irgendeinen Scheiß auf, sondern zeigt, was man noch alles mit dem Handy machen kann, vielleicht auch beruflich.“ Er habe auch an einem der Handy-Workshops teilgenommen und „selbst noch was dazugelernt“. Sollte es im nächsten Jahr ein zweites Handyfilmfest geben, würde Oktay gerne wieder in der Jury sitzen.

Auch Hartmann hofft auf eine Fortsetzung des Handyfestivals: „Wir hatten so viel positive Resonanz, da ist jetzt einiges im Gespräch.“ Am morgigen Samstag wird aber erstmal die Abschluss-Gala im Saal der Naunyritze gefeiert. „Da rollen wir auch einen roten Teppich aus“, sagt Hartmann. Auch Christine Moritz will sich schick machen. Ob sie eines der Handys gewinnen wird? „Da hab ich noch nicht dran gedacht. Ich hab doch nur teilgenommen, weil’s Spaß gemacht hat.“

Preisverleihung und Party ab 19 Uhr in der Naunynritze, Naunynstr. 63