Chinas Aktienblase ist geplatzt

Börsencrash setzt sich in Asien fort. Erholung in Europa. Beginn einer schwierigen Phase?

BERLIN taz ■ Seit Monaten schon wird über die Spekulationsblase an Chinas Aktienmärkten geschrieben. Am Dienstag war es dann so weit: Massenverkäufe ließen die Kurse an den Börsen in Schanghai und Shenzhen um fast 9 Prozent abstürzen.

Die Panik verbreitete sich mit großer Geschwindigkeit über den ganzen Globus. Die Wall Street erlebte den heftigsten Kurseinbruch seit den Anschlägen aufs World Trade Center im Jahr 2001. Der Dow-Jones-Index verlor 3,3 Prozent, der Technologieindex Nasdaq Composite fast 4 Prozent. Gestern folgten dann Tokio mit einem Minus von fast 3 Prozent, Hongkong mit minus 2,5 Prozent und Bombay gar mit minus 4 Prozent.

Der Deutsche Aktienindex (DAX) hatte sich gerade mal einen Tag lang über der 7.000-Punkte-Marke halten können. Am Dienstag verlor er 3 Prozent, bis gestern Morgen büßte er 5,5 Prozent gegenüber seinem Höchststand am Montag ein. Dann schienen sich die Börsianer vom schlimmsten Schock erholt zu haben. Die ersten Käufer wagten sich zurück aufs Parkett und kauften die nun deutlich billiger gewordenen Aktien auf. Die Kurse erholten sich vorsichtig, lagen aber am Nachmittag immer noch knapp 4 Prozent unter dem Schlussstand vom Montag.

Ausgelöst hatten das Beben Gerüchte über die Einführung einer Kapitalertragsteuer in China und über mögliche Zinserhöhungen. Beides ist wenig attraktiv für Aktienanleger. Hinzu kamen Befürchtungen, dass der Volkskongress, der in der kommenden Woche beginnt, Maßnahmen zur Abkühlung der überhitzten Wirtschaft beschließen könnte. Einige Mitglieder des Kongresses hatten in den letzten Wochen schon vor einer spekulativen Blase gewarnt. Immerhin hatten sich die chinesischen Aktienkurse 2006 verdoppelt und waren in diesem Jahr schon um weitere 14 Prozent gestiegen.

Fragt sich, ob es sich also nur um ein kurzes Beben handelte oder ob das der Beginn unruhigerer Zeiten an den Börsen ist. Ein Analyst der Investmentbank Credit Suisse gab sich gelassen: „Wir sehen dies als die Korrektur eines Bullenmarktes und nicht als den Beginn eines Bärenmarktes.“ Schließlich seien die wirtschaftlichen Wachstumsaussichten in China weiterhin positiv. In Schanghai schien der freie Fall gestern jedenfalls aufgehalten zu sein. Die Verluste beliefen sich gegenüber dem Montag nur mehr auf 5,4 Prozent. Dazu beigetragen haben offenbar Bemühungen der chinesischen Regierung, den Markt zu beruhigen. Premierminister Wen Jiabao ließ über die staatliche Nachrichtenagentur verbreiten, man werde alles tun, um für finanzielle Stabilität zu sorgen. Und die Börsenaufsicht dementierte jegliche Pläne über eine Steuer auf Aktiengewinne.

Doch nicht überall waren die Finanzexperten beruhigt. Die Tatsache, dass sich an anderen asiatischen Börsen und zunächst auch in Europa die Kursverluste fortsetzten, könnte nämlich darauf hindeuten, dass es sich eben nicht nur um ein chinesisches Problem handelt. Seit Wochen wird auch in Europa und den USA darüber spekuliert, dass der Börsenboom ausgereizt sein könnte. Am Dienstag kamen zudem auch aus den USA schlechte Nachrichten: Die Auftragseingänge für langlebige Konsumgüter brachen im Januar um fast 8 Prozent ein. Ian Shepherdson, Chef eines einflussreichen Wirtschaftsinformationsdienstes in den USA, unkte sogar: „Das verarbeitende Gewerbe befindet sich in einer Rezession.“

Der ehemalige US-Notenbankchef Alan Greenspan sieht ebenfalls eine Abkühlung voraus, die bis Jahresende in einer Rezession enden könnte. Das – und nicht irgendwelche Gerüchte aus China – wird in der nächsten Zeit auch hierzulande die Börse bewegen. NICOLA LIEBERT