Der Anti-Zentralrat

„Wir haben abgeschworen“: Exmuslime thematisieren ein Tabu – die Abkehr vom Islam

BERLIN taz ■ Die Provokation war angekündigt worden. Nun wurde sie eingelöst: „Ich trete hiermit vom Islam aus“, verkündete Arzu Toker vor laufenden Kameras. Gemeinsam mit 29 MitstreiterInnen hat die gebürtige Türkin gestern den „Zentralrat der Ex-Muslime“ gegründet. Das Motto der Kampagne: „Wir haben abgeschworen.“ Soll heißen: den Glauben abgelegt.

„Wir möchten ein Tabu brechen“, sagte die Vorsitzende des Vereins, Mina Ahadi. Die gebürtige Iranerin steht seit Tagen unter Polizeischutz. Sie habe Drohungen im Internet erhalten, sagte Ahadi der taz.

Der neue Verein attackiert den Islam scharf: „Da der Islam in seiner konsequenten Form mit diversen Artikeln des Grundgesetzes kollidiert, kann er nicht den vollen Schutz des Grundgesetzes für sich in Anspruch nehmen“, heißt es in einem Faltblatt. Dort kritisieren frühere Muslime auch das Tragen des Kopftuchs im öffentlichen Dienst.

Die scharfen Töne ärgern die Islambeauftragte der SPD, Lale Akgün. „Es stimmt nicht, dass der Islam nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Das ist eine unzulässige Verallgemeinerung.“ Der Zentralrat der Ex-Muslime versteht sich auch als Gegengründung zu den islamischen Verbänden in Deutschland, denen sie den Alleinvertretungsanspruch von 3,5 Millionen Muslimen absprechen. „Ich kann diese Kritik verstehen“, sagte der grüne Europaabgeordnete Cem Özdemir der taz. Es stehe niemandem zu, einen anderen für die Abkehr vom Glauben zu kritisieren. Und um gehört zu werden, müsse man „auch manchmal provozieren“.

Parteikollegin und Kopftuchgegnerin Ekin Deligöz ist hingegen zwiegespalten. „Ich finde die Initiative sehr mutig“, sagte die Bundestagsabgeordnete der taz. „Die Kritik an einem fundamentalistischen Islam teile ich.“ Der Name „Ex-Muslime“ allerdings hat für sie einen negativen Beigeschmack. „Es geht nicht darum, den Glauben zu bekämpfen, sondern um eine Modernisierung des Islam“, sagte sie.

Der Zentralrat der Ex-Muslime hat bereits eine zweite Kampagne angekündigt. Der Titel: „Aufklären statt verschleiern“.

WOLF SCHMIDT