Sandino trifft George Clooney

WACHMACHER Wer exzellenten Espresso trinken möchte, muss heute nicht mehr nach Italien fahren. Das Kaffeeangebot hat sich geschmacklich, technisch und politisch ausdifferenziert. Für jeden Lebensstil ist was dabei

Das „Espresso Tecnica“ findet sich in im Vivo-Gebäude, Bahrenfelder Straße 260, nahe der Fabrik (www.espressotecnica.de). Es richtet die Messe „Coretto“ aus, die sich an Kaffeeröster, Rohkaffeeimporteure sowie an Fair-Trade-Initiativen wendet: dieses Jahr am 3. Oktober im Vivo.

Eine Barista-Schulung gibt es hier einmal im Monat: Ziel ist es nicht, Barista-Weltmeister zu werden, sondern den Espresso & Cappuccino nach eigenem Geschmack zubereiten zu können.

Das „El Rojito“ hat sein Lager und seine Geschäftsräume in der Chemnitzstraße 78 – wo einst die taz residierte (www.el-rojito.de). El Rojito-Produkte werden sowohl direkt als auch über Wiederverkäufer vertrieben.

Das Café „El Rojito“ liegt in der Großen Brunnenstraße 74. Diesen Sonntag schenkt El Rojito sein Produkt „Hamburger Fairmaster“ von 13.00 bis 17.00 Uhr in der Osterstraße aus – eine Hochland-Arabica-Mischung aus Nicaragua, Mexiko und Guatemala.

VON FRANK KEIL

„Eigentlich habe ich keine Zeit, aber für einen Kaffee reicht es immer“, sagt Tom Schulthes. Und schon surrt ein Mahlwerk. Schulthes drückt mit einem Holzspatel sachte das frische Pulver in den Siebträger, stellt diesen fest und drückt auf den Knopf, während er zu erzählen beginnt. Jeder Handgriff sitzt.

Tom Schulthes ist in Italien aufgewachsen. Bis heute hat ihn die Sehnsucht nach dessen Kaffeekultur nicht verlassen. Früher hat er von dort aus Kaffee im Rucksack nach Hamburg geschmuggelt, hat selbst einmal ein Café betrieben und führt nun mit „Espresso Tecnica“ ein Geschäft, dass das Herz eines jeden Kaffeeliebhabers höher schlagen lässt: Messing blitzende Kaffeemaschinen reihen sich aneinander, oft garniert mit kleinen Tachometern.

Wer nicht mindestens 700 Euro investieren könne, solle lieber auf finanziell bessere Zeiten warten, als zu einem Billigmodell zu greifen, rät Schulthes. Im Gegenzug hat er etwas Tröstendes zu verkünden: „Diese Maschinen sind wie Trecker: Wir reparieren welche, die sind gut ihre 50, 60 Jahre alt.“

Schulthes hat sich dem Espresso verschrieben. „Was uns als Kaffeeliebhaber und Kaffeemissionare schockiert, ist wie viel schlechten Kaffee die Leute konsumieren“, sagt er und setzt die Espresso-Tasse ab. Dabei will er prinzipiell nichts gegen den guten, alten Filterkaffee sagen – wenn er nur in einem Porzellanfilter aufgegossen wird und wenn das, was dort quillt und seine Aromen entwickelt, einst sorgsam seine ordentlichen 20 Minuten geröstet wurde: „Beim Industriekaffee geschieht das mittels Hochdruck in zwei bis drei Minuten“, erzählt Schulthes. Mehr muss man dazu nicht sagen.

Doch sein Espresso findet nicht immer unverdünnt den Weg in die Tasse. Stattdessen wird er im Glas durch Unmengen an Milch verlängert. „Die Italiener können es nach wie vor nicht glauben, was wir hierzulande für Portionen an Milch warm machen und dass der Deutsche drei riesige Milchkaffee am Tag trinkt“, sagt er. „Nach elf Uhr noch große Mengen Milch zu trinken, das gilt in Italien schlicht als unverdaulich.“ Auch die Maschinen hätten mit dieser Vorliebe zu kämpfen: „Die sind nicht im Kaffeebereich, sondern im Dampfbereich überfordert.“ Aber das ist noch locker zu verschmerzen, schaut Schulthes auf die Straße. „Die Leute“, stellt er missbilligend fest, „trinken den Kaffee ja mittlerweile im Gehen.“.

Und dann diese bunten Plastikmaschinen mit ihrem Tab-System! Schulthes bräuchte jetzt noch einen Espresso, um seinen Unwillen zu besänftigen. „Dabei waren die Deutschen aus ökologischen Gründen immer strikt gegen die Tabs, einfach weil so viel Müll entsteht“, sagt er. „Heute können die Firmen problemlos vier Gramm Kaffee in fünf Gramm Plastik packen, das wird in eine chinesische Schrottmaschine gesteckt, es kommt brauner Schaum raus – und die Leute sind begeistert.“ Unter Seinesgleichen heißt das übrigens „George-Clooney-Kaffee“ – nach dem gleichnamigen Werbeträger der Firma Nestlé, die es schaffte, diese angeblich ganz neue Art des Kaffeegenusses zu etablieren.

Aus einer ganz anderen Kaffeewelt kommt Magnus Kersting. Er arbeitet für den Kaffeeimporteur „El Rojito“, vor 24 Jahren entstanden aus der Solidaritätsbewegung mit dem ehemals revolutionären Nicaragua. Dessen Kaffeeexporte à la „Sandino Dröhnung“ hatten lange mit dem Image zu kämpfen, politisch korrekt aber nur schwer genießbar zu sein.

Gegen Filterkaffee ist nichts zu sagen, wenn er in Porzellan aufgegossen und 20 Minuten geröstet wurde

Dass dem schon längst nicht mehr so ist, lässt sich im gleichnamigen Café kosten, im Herzen von Hamburgs Café-Hochburg Ottensen. Vor sechs Jahren eröffnet, sollte es nicht nur als Verkaufstelle fungieren: „Wir wollten zeigen, dass man mit unserem Kaffee – bio und fair gehandelt – erfolgreich Gastronomie betreiben kann“, sagt Kersting.

Tatsächlich herrscht in dem Café eine vertraute Gemächlichkeit. Es werden Zeitungen zerlesen und Kinder betreut. Ernste junge Männer mit Pudelmütze lassen ihr „Milchkaffeemischgetränk“ (Kersting) neben dem Laptop kalt werden. Über ihnen an der Wand sind die zu erwerbenden Kaffeepakete in kleinen Boxen drapiert, dezent beleuchtet, als seien es Kunstobjekte.

Auch Magnus Kersting kann über ein seltsames Alltagsphänomen berichten, das sich in seiner Filiale beobachten lässt und das auf seine Weise vom Wandel der Zeit erzählt: Das Café verfügt über einen Zugang zu einem idyllischen Hinterhof, der wenig genutzt wird: „Vor zehn Jahren war es sehr attraktiv, sich in einem solchen Garten niederlassen zu können“, erzählt Kersting. „Heute sind die Leute heilfroh, dass sie sich irgendwo an der Straße auf eine schmale Bank quetschen können, auch wenn es kein wirklich schöner Blick ist, wenn sich anderthalb Meter weiter vor einem die Autos aneinander reihen.“ Hauptsache, man werde gesehen und sehe andere. Präsenz statt Rückzug; der Fußweg als Bühne, Laufsteg oder Kontaktbörse, wo man nicht fehlen will – am besten mit einem Kaffee in der Hand.