: Den Schwangeren die Angst nehmen
SPÄTGEBÄRENDE II Keine Panik! Laut Chefarzt Michael Abou-Dakn lassen sich Komplikationen bei „Risikoschwangeren“ heute schon früh erkennen
■ Michael Abou-Dakn ist Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe im St. Joseph Krankenhaus Tempelhof.
INTERVIEW OLE SCHULZ
taz: Herr Abou-Dakn, würden Sie einer 40-jährigen Frau raten, ein Kind zu bekommen?
Michael Abou-Dakn: Ja, unbedingt. Das einzige bedeutsame Risiko, das besteht, ist eine etwas erhöhte genetische Disposition für Missbildungen des Babys. Die Geburt an sich unterscheidet sich dagegen in der Regel kaum.
Aber Frauen über 35 gelten doch als „Risikoschwangere“?
Das stimmt schon, aber wenn man sich die Zahlen genau anschaut, stellt man fest: Das Risiko, ein Kind mit einer Behinderung zur Welt zu bringen, ist bei einer 40-jährigen Schwangeren nur leicht höher als bei einer 20-jährigen. Es ist jedoch wichtig, alle Vorsorgeuntersuchungen im Laufe der Schwangerschaft mitzumachen. Ältere Schwangere sind häufig dicker als jüngere – das kann zu Problemen führen und muss daher beachtet werden.
Was können Frauen über 35 sonst noch tun, um den Verlauf ihrer Schwangerschaft positiv zu beeinflussen?
Sie sollten täglich eine Folsäuretablette einnehmen, um die Ausbildung der Organe des Babys zu unterstützen und etwa einen sogenannten offenen Rücken zu verhindern – das gilt aber im Übrigen für alle Schwangeren. Außerdem sollten sie sich regelmäßig vom Frauenarzt oder ihrer Hebamme untersuchen lassen, damit Bluthochdruck oder zum Beispiel Diabetes frühzeitig erkannt und behandelt wird.
Es ist eine Tastsache, dass die Mütter hierzulande im Durchschnitt immer älter werden. Was halten Sie von diesem gesellschaftlichen Trend?
Meines Erachtens spiegelt das die heutige Rolle der Frauen in unserer Gesellschaft wider: Sie wollen Karriere und Familie unter einen Hut bekommen – und dafür braucht man Zeit. Etwas bedauerlich finde ich allerdings, dass heute die Hilfe durch die Großeltern zunehmend wegfällt. Das bedeutet eine zusätzliche Belastung für die Familien. Darum ist es umso wichtiger, dass wir Rahmenbedingungen schaffen, die es den Müttern, aber auch den Vätern ermöglichen, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren.
Ein Vorteil sei, so wird gern gesagt, dass ältere Eltern mehr Lebenserfahrung mitbringen. Sehen Sie das auch so?
Im Prinzip schon. Auch ich bin erst mit 40 Vater geworden, und wissenschaftliche Untersuchungen zeigen zumindest, dass ältere Männer ihren schwangeren Frauen häufiger dabei helfen können, ein positives Geburtserlebnis zu haben. Einen weiteren Vorteil sehe ich darin, dass sich heute viele aus Liebe für ein Kind entscheiden, während früher der Druck erheblich größer war, möglichst früh ein Kind zu bekommen.
Und welche Herausforderungen bringt diese Entwicklung für die Geburtsmedizin mit sich?
Zum einen muss sie mit den betroffenen Paaren im Vorfeld klären, dass ab einem gewissen Alter bestimmte Risiken bestehen, wenngleich diese nicht signifikant höher als bei Jüngeren sind. Die andere Herausforderung ist es, den schwangeren Frauen die Angst zu nehmen. Mit den heutigen Mitteln der Pränataldiagnostik lassen sich mögliche Komplikationen schon frühzeitig erkennen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen