Thema der Woche

Der GAU in Japan und die AKW-Debatte in Deutschland

■ betr.: „Provinz protestiert plötzlich“, taz vom 23. 3. 11

Zu behaupten, „noch nie in der Geschichte der Anti-Atomkraft-Bewegung kam es in der Provinz zu Protesten gegen Atomkraft“, ist falsch. In der badischen Provinz gab es bereits 1975 einen so heftigen Anti-Atom-Protest, getragen von Kaiserstühler Bauern und Bäuerinnen sowie von Freiburger StudentInnen, dass das projektierte Atomkraftwerk Wyhl nicht gebaut werden konnte. Ebenso musste die geplante Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf in der bayerischen Oberpfalz aufgegeben werden. Neu und positiv an den Protesten ist, dass sie auch dort laut werden, wo nicht direkt ein AKW vor der Tür steht.

CHRISTIANE RATTINGER,

Offenburg

■ betr.: „Merkel schafft zwei … Kommissionen“, taz v. 23. 3. 11

Jetzt soll doch tatsächlich eine „Ethikkommission“ klären, „wie viel Atomkraft wie lange vertretbar ist“! Das heißt, ob wir GAUs mindestens alle 25 Jahre in Kauf nehmen müssen/dürfen, um nicht rigoroser Energie sparen oder uns gar schon jetzt von der Wachstums- beziehungsweise Wegwerfgesellschaft verabschieden zu müssen und vor allem, um die Atomkonzerne nicht unglücklich zu machen?

Die richtigen Leute wird Merkel schon dazugebeten haben. VertreterInnen der Medizin oder der Studie, die höhere Leukämieraten in der Nähe von „normal“ arbeitenden AKWs festgestellt hat, fehlen genauso wie Vertreter des kritischen Volks.

SABINE MIEHE, Marburg

■ betr.: „In Tokio bleiben oder nicht?“, taz vom 18. 3. 11

Die Katastrophe von Fukushima zeigt: Bequemlichkeit, Licht, Luxus, das immerwährende, immer mögliche Knöpfchen drücken und surfen mit iPhone hat seinen Preis: Billigstrom, das ist Atomstrom, er gewährleistet unser technisiertes Glück. Abhängig sind wir. Zu welchem Preis? Das zeigt sich dieser Tage. Die Katastrophe: Das, was reibungslos und billig funktionieren sollte, gerät außer Kontrolle. Ikarus hat sich die Flügel verschmolzen, nach dem er genießerisch hochflog, nachdem er keine Grenzen mehr kannte, nachdem er alles fürs Weiterkommen riskierte, ist er gefallen, gefallen, der Mensch. Ausgang ungewiss. Unvorstellbares Maß an Vergiftung, das einen auf Jahrtausende ereilen kann.

Wenn man einmal verstanden hat, wie destruktiv das kapitalistische Prinzip in seinem Inneren funktioniert … Das Billigste, Schrott, trotz Lebensgefahr … wer nicht das Billigste bietet, ist weg vom Fenster. Das Billigste ist in 1-Euro-Shops Ramschware. Das Billigste ist Atomstrom. Der Atomstrom ist 1-Euro-Ramschware. Das Atomei, wer hat es gelegt? Es ist mörderisch. Es wird töten. Wird nicht wirkliche Konsequenz angestrebt. Unser Ramsch-Versorgungs- und Billig- um-jeden-Preis-Denken wird töten, und viele werden noch am Tod verdienen. Wir glauben, in einer menschlichen Welt zu leben. Doch ist der Spielraum menschlich auf das Engste begrenzt vom Warenaustausch. Das Ramsch-, Versorgungs- und Billigdenken funktioniert temporal, aber irgendwann verramscht es Leben und Gesundheit. Konsequent sein hieße abzuschalten und abzubauen. Und auch an anderer Stelle die kapitalistische Verramschmentalität sein zu lassen. EVA KÖPPL, Berlin

■ betr.: „Merkel schafft zwei, … Kommissionen“, taz v. 23. 3. 11

Was soll die angebliche Suche nach einem Konsens? Es gab einen „Konsens“ und der Konflikt war deutlich entschärft. Das verheerende Unglück in Japan hat den Zustand der Atommeiler in Deutschland nicht verändert, wohl aber die Wahlchancen von Schwarz-Gelb in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Das ist das Neue. Und darum die Nebelkerze eines „Ethikausschusses“. Und dann die Zusammensetzung dieses „Rats der Weisen“! Fast lauter alte Männer! Dieser erlauchte Kreis von „Würdenträgern“ und „Experten“entspricht unserer Gesellschaft in etwa so wie das römische Kardinalskollegium oder die Deutsche Bischofskonferenz dem katholischen Kirchenvolk! Gibt es denn für Frau Merkel keine Frauen oder Mütter oder junge Leute hierzulande, die etwas von Ethik und Verantwortung wissen? Nein, es geht hier in Wahrheit nicht um Ethik: Das Volk soll ein weiteres Mal darüber hinweggetäuscht werden, dass diese Regierung noch immer nicht ernsthaft bereit ist, endlich konsequente Entscheidungen für ein endgültiges und rasches Aus für die nicht beherrschbare Atomtechnik zu treffen.

KARL ALBRECHT SCHMAUDER, Eschenbach

■ betr.: „Der unsichtbare Tepco-Chef“, taz vom 23. 3. 11

Zu nah ans Meer gebaute, für Erdbeben bis Stärke 7 ausgelegte, nicht wie vorgeschrieben gewartete Reaktoren. Einer davon mit dem hochgiftigen Strontium. In Japan, einem Land, das wir als überaus korrekt kennen. Die Manager haben Wartungen nicht durchgeführt, Berichte gefälscht. Luft, Meer und Trinkwasser sind verseucht. Die Folgen sind nicht absehbar, es ist ungewiss, ob man die Kernschmelze verhindern kann. Die Betreibergesellschaft entschuldigt bei den Opfern, damit ist es gut? „Ach, es tut uns so Leid, dass Sie möglicherweise umgesiedelt werden, verstrahlt sind, ihre Kinder und Enkel vielleicht noch Erbschäden aufweisen – wir bedauern das sehr“?

Aber die Kernenergie ist ja so preiswert. Die Schäden bezahlen ja nicht die AKW-Betreiber, zumal Zwischenlager von den Steuerzahlern finanziert werden. Endlager gibt es bis heute keines auf der ganzen Welt. Die Bundesregierung reagiert mit der Auflage zur Kontrolle unserer AKWs – fürchtet sie gleiche Vergehen?

Dem Leiter der japanischen Feuerwehr versagte die Stimme, und er kämpfte mit den Tränen, als er seine Männer an die Reaktoren schicken musste, um diese mit Wasser zu kühlen – ausgesetzt tödlicher Strahlung. Vielleicht sollte man die Vorstandsmitglieder und die – auch von Politikern gern belegten – Aufsichtsratsposten mit der Verpflichtung verbinden, in Notfällen an der vordersten Einsatzlinie der Rettungsleute zu stehen, es könnte die Wahrscheinlichkeit verantwortungsvollen Handelns erhöhen und die Lust am Betrieb weiterer AKWs dämpfen. ROBERT KREUZINGER-IBE, Linden

■ betr.: „Atomausstieg: Himmel, hilf!“, taz vom 23. 3. 11

Die Kanzlerin ist sich sicher, dass sie Herrin über das Ergebnis bleibt – sonst würde sie die Veranstaltungen nicht inszenieren. Ich rate den angesprochenen „Persönlichkeiten aus Politik, Gesellschaft und Kirche“ sich nicht für diese Farce herzugeben und ihre Teilnahme zu verweigern. Politiker, die jetzt noch weiter über „die Sicherheit der Atomkraft“ diskutieren wollen, möchten sie nicht aufgeben. Olav Hohmeyer, Mitglied des Sachverständigenrats der Bundesregierung für Umweltfragen, spricht von einem Ausstiegsszenario bis 2015. Institute wie etwa das Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie bestätigen diese Möglichkeit. Also: Abschalten!

MARGIT GEILENBRÜGGE, Dortmund

■ betr.: „Zwischen Atombunker und Uranium-Bar““, taz, 23. 3. 11

Ehrlich gesagt, weiß ich nicht so wirklich, was der Herr Bürgermeister Dürr meint, wenn er sagt: „So zu tun, als wären unsere Anlagen plötzlich nicht mehr sicher, das halte ich schon für kritisch.“ Waren die denn überhaupt jemals sicher? SASCHA PIHAN, Mainz

■ betr.: „Lobby unter Druck“, taz vom 22. 3. 11

Makoto Yagi, der Präsident von Japans zweitgrößtem Stromkonzern Kansai Elektric Power, offenbart mit seinen offiziellen Verlautbarungen einen Grad von Verblendung und Fachidiotie, wie er angesichts der Reaktorkatastrophe in Fukushima höher nicht sein kann. „Wir haben die größten bekannten Tsunami einkalkuliert, aber unsere Überlegungen waren wohl nicht ausreichend.“ Wer ist „wir“, und was war Grundlage und Ziel der Überlegungen, dass dieses „wir“ sich in großartiger Selbstzensur die Note „nicht ausreichend“ geben lässt? Dürre und schulmeisterlich korrekte Worte, das ist die Sprache der Macht – auf Zuruf auch im Ton des Bedauerns –, aber diesmal eben nicht. Ansonsten weiter so mit Weltmarkt und Standortkonkurrenz – bis zum nächsten GAU.

WOLFGANG HEINRICHS, Kiel

Knapp 25 Jahre nach der Reaktorexplosion in Tschernobyl verursachten ein Erdbeben und ein Tsunami in mehreren Atomkraftwerken in Japan vor zwei Wochen einen GAU, dessen Ausmaße bis heute noch überhaupt nicht abzusehen sind. Während in Japan Feuerwehr und Techniker noch versuchen, die Nuklearkatastrophe einzudämmen, ist in Deutschland die Anti-AKW-Bewegung wieder dabei, mit Protestdemonstrationen die Bundesregierung dazu zu bewegen, nicht nur ein dreimonatiges Atom-Moratorium zu erlassen, sondern einen generellen Verzicht auf Atomenergie durchzusetzen. Unter dem Motto „Fukushima mahnt: Alle AKWs abschalten!“ finden heute in Berlin, Hamburg, Köln und München Großdemonstrationen statt. Dazu taz-Leser Christian Lukner aus Bonn: „Demos sind besser als Kommissionen!“ Was unseren LeserInnen sonst noch zum Thema einfällt, lesen Sie hier.