DIE STIMMEN DER ANDEREN
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■ Information (Dänemark)

Putins fataler Fehler

Viele wollen wissen, dass Russlands Präsident Dmitri Medwedjew für die UN-Resolution zu Libyen stimmen und Regierungschef Wladimir Putin ein Veto einlegen wollte. Die Stimmenthaltung war dann wohl ein Kompromiss. Putin gehört trotz vieler Qualitäten einer aussterbenden Spezies aus dem Kalten Krieg an, die die USA und den Westen ganz automatisch als potenzielle Gefahr ansieht. Viel deutet darauf hin, dass er hier einen fatalen Fehler mit der indirekten Unterstützung für Gaddafi begangen hat. Dahinter dürften massive finanzielle Interessen aus seinem persönlichen Umfeld in Libyen stehen. Putins erzwungener Rückzug zeigt, dass er nicht mehr der unumstrittene politische Superstar in Russland ist.

■ Corriere della Sera (Italien)

Der zu entschuldigende Krieg

Man muss kein überzeugter Pazifist sein, um die Meinung zu vertreten, dass der Krieg eine fürchterliche und ungerechte Sache ist. Zumindest im ethischen Sinne lässt sich nur schwer hinnehmen, dass irgendjemand entscheiden kann, andere zu bombardieren und zu töten, auch wenn Terroristen oder Diktatoren die Ziele sind. Der Horror des Krieges kann aber auch nicht in eine Indifferenz der internationalen Gemeinschaft angesichts schwerer Verletzungen von Menschenrechten umschlagen. Die Welt ist weit von Kants Ideal eines Universalfriedens entfernt. Also muss man akzeptieren (auch das im moralischen Sinne), dass es zu entschuldigende Kriege gibt. So gehört es zu den Grundwerten der Vereinten Nationen, dass die Rechte der Völker wichtiger sind als die Souveränität der Staaten.

■ Neue Zürcher Zeitung (Schweiz)

Warnung an Präsident Assad

Bis vor einer Woche fragten sich Experten, warum sich das syrische Regime noch keiner Protestbewegung gegenübersieht. Gewiss ist Baschar al-Assad persönlich in weiten Teilen der Bevölkerung beliebt und hat die Syrer hinter sich, wenn er Israelis und Amerikanern die Stirn bietet. Seiner Popularität – und der Angst vor den allgegenwärtigen Sicherheitsdiensten – hat er es zu verdanken, dass alle Missstände und Verbrechen seines Regimes bisher nur kleine Gruppen von Menschenrechtsaktivisten zum Protest trieben. Das dürfte die letzte Warnung an den jungen Präsidenten sein, dass er die eigene Popularität und die von seinem Vater geerbte Macht nur retten kann, wenn er die Reformen, die er seit seinem Amtsantritt vor elf Jahren immer wieder verspricht, schnell und umfassend durchsetzt.

■ Junge Welt (Deutschland)

Feldzug der westlichen Propaganda

Die UN-Resolution 1973 hat den Weg für ein völkerrechtswidriges Eingreifen der Westmächte in einen Bürgerkrieg in Libyen freigegeben. Von den regulären Streitkräften begangene Kriegsverbrechen werden als Interventionsgrund genannt. Als besonders schwerwiegend ins Propagandafeld geführt wurden nie bewiesene Luftangriffe auf Regimegegner. Daraus ergab sich die absurde Behauptung, „Gaddafis Truppen“ begingen einen Genozid am eigenen Volk. Der westliche Narrativ, der „Verrückte von Tripolis“ massakriere aus der Luft unbewaffnete Demonstranten, war von Beginn an aus der Luft gegriffen.

■ La République des Pyrénées (Frankreich)

Mangel an Solidarität

Während die Lage in Libyen unsicher bleibt, breitet sich die „arabische Revolution“ weiter aus. Die Revolutionen haben in drei „wirklichen“ Staaten begonnen, im Iran, Tunesien und Ägypten, während sie jetzt Gesellschaften erfassen, wo Stammestum oder religiöse Spaltungen herrschen, wie im Jemen, wo es Zehntausende Stämme gibt. Wie kommt es, dass diese Ereignisse bei den Franzosen keine große Bewegung der Solidarität auslösen wie im Falle von Solidarnosc, wo die Bedeutung ähnlich war? Weil die Wiege der Menschenrechte die Unterscheidung trifft zwischen den „guten“ Europäern und jenen Völkern, die man mit der Debatte über den Islam weiterhin missversteht, wenn man sie nicht gleich mit dem Kärcher reinigen will.

Quelle: dpa/eurotopics